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Leseprobe: Alfred Goubran - Durch die Zeit in meinem Zimmer

Eine Hand legt sich auf meine Stirn. Ich öffne die Augen. Über mir das Gesicht eines Fremden. Er merkt nicht, daß ich ihn ansehe. Ein Stethoskop baumelt um seinen Hals. Ich schließe die Augen wieder. Er schlägt die Decke zurück, schiebt mein Hemd nach oben. Ich lasse es geschehen. Seine Hand packt mich an der Schulter, dreht mich zur Seite. Er horcht meinen Rücken ab. Das Metall des Stethoskops ist kalt. Ich öffne die Augen und sehe Ernst Christian auf dem Ofen sitzen. Ich suche seinen Blick, er schaut mich an, ich denke, ich bin tot, ich denke, so schauen uns die Toten an, doch dann kommt Leben in ihn, er steht auf und sagt meinen Namen - und zu dem Mann: "Er ist wach."
Ich muß lächeln.
Der Mann dreht mich wieder auf den Rücken, zieht mein Hemd nach unten, deckt mich zu. Ernst Christian kniet sich auf die Matratze.
"Er ist unterkühlt - aber schlimmer ist die Dehydration." Der Mann sieht mich an: "Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?"
Ich will antworten. Mein Mund ist trocken. Ich schlucke ein paar Mal, bekomme aber kein Wort heraus.
"Schon gut", der Mann streicht mir über den Kopf.
"Ich muß ein paar Sachen besorgen ?" - Er schaut Ernst Christian an. "Bleibst du solange hier?"
"Ja."
"Brauchst du auch etwas?"
"Nein - aber: bring etwas Brennholz mit. Bei der Tankstelle kannst du es kaufen ?" Ernst Christian greift in den Mantel, zieht seine Brieftasche heraus und gibt dem Mann einen Geldschein.
"Das ist mein Bruder", sagt er, nachdem der Mann gegangen ist. "Er ist Arzt. Ich habe ihn angerufen, nachdem ich dich im Gang gefunden habe. Ich war ziemlich erschrocken ?"
Ich nicke. Ich bin dankbar.
Die Tränen kommen ganz von selbst.
Aber ich weine nicht.

                                                              ***

Der Schnee war nur an der Oberfläche gefroren. Schneekristalle glitzerten, die Nacht war kalt, der Himmel sternenklar. Die Fußspuren waren deutlich zu erkennen, aber er hätte auch so ins Dorf zurückgefunden. Nach der "Führung" hatte er Franziska nicht wieder gesehen. Isabel hatte ihm vorgeschlagen, in dem kleinen Zimmer hinter der Bibliothek zu übernachten. Und dann, auf dem Weg dorthin, als sie in der Bibliothek standen und er gerade im Begriff war, den Tutuola, der noch immer auf dem Tisch lag, an seinen Platz zurückzustellen, hatte sie ihm das Angebot gemacht. Ob er nicht, wenn es seine Reisepläne erlaubten, eine Zeitlang hierbleiben und sich um die Bibliothek kümmern wollte?

S. 183ff.








































































































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