Das war ein Fest. Jutta hatte in den letzten Wochen von Tanger erzählt, viel, immer wieder und gerade so, als sollte dieses Wissen nicht verlorengehen. Dabei waren die Erinnerungen, die auf Marianne so unzuverlässig wirkten, mit einer schwarzweißen Patina überzogen. Sie mochte so etwas doch gar nicht, schrieb es dennoch auf. Sie mochte Jutta. Jutta war eigentlich alles, was sie hatte. Gehabt hatte. Wenn Lukas einmal ausgezogen wäre in sein eigenes Leben, das woanders stattfinden würde, es war so gut wie sicher. Natürlich. Er arbeitete hart in der Baumschule, wenn er sich in den Ferien Geld verdiente. Ihm lag das Grobe, oder es gefiel ihm sich anzustrengen, seine Muskeln spielen zu lassen. Zuletzt hatte er viel ausgeliefert, die Arbeit war selbstverständlich für ihn, aber sein Leben würde anders ausschauen. Jetzt studiert er Geographie, Geschichte und Mathematik. Die Vernunft, die dahinter steckte, machte Marianne ein wenig stolz, auch wenn sie sei nicht genauer verstand. In Wahrheit (seine Worte) wollt er Musik machen, ein Musiker werden. Ein Musiker bleiben: Das wäre was. Die Musik war ein Teil seines Lebens. Aber nur ein Teil, dachte seine Mutter. Dass Lukas immer noch hier zuhause war, war die andere Selbstverständlichkeit, Marianne war froh darüber.
(S. 71f)
© 2014 Jung und Jung, Salzburg