Beiträge 181-190
von: Monika Helfer, Rüdiger Opelt, Elisabeth Jupiter, Erich Sedlak, Lydia Mischkulnig, Armin Anders, Reinhold F. Stumpf, Rubina Möhring (1), Rubina Möhring (2), Bernd Schmidt
Monika Helfer: Funkhaus Argentinierstraße (atmosphärisch)
Saß im Hörspielstudio bei einer Produktion, echte Gläser wurden an der Wand zerschlagen, beim ersten Mal glaubte ich es nicht, beim zweiten Mal traf mich ein Splitter. Mit Schuhen wurde über Scherben spaziert. Es knirschte. Ich hatte die Augen geschlossen am Valentinstag. Blumen überall. Ich wusste, gleich würde der Mann die Frau küssen und die Frau würde den Mann ohrfeigen. Aus der Ferne tönte eine Trompete – Chat Baker – My Funny Valentine. „Dein Anblick ist lächerlich, unfotografierbar“. Als ich wieder die Augen öffnete, fragten die Schauspieler: „Und, wie waren wir?“
Rüdiger Opelt: Kompetente Journalisten. Interessante Sendungen.
Ich wurde mehrmals zu meinen Büchern im Funkhaus interviewt. Die Fragen waren gut gestellt, die Atmosphäre entspannt, es hat jedesmal Spaß gemacht. Es wäre schade wenn es das Funkhaus nicht mehr gäbe.
Elisabeth Jupiter: Ich will auch einmal
„Ich will auch einmal eine musicbox gestalten“, sagte ich zu meinen Freunden. Es waren die frühen Siebziger in Wien. Wir waren jung, wild und alles schien möglich. Gunter Falk unterrichtete immer völlig besoffen Soziologie auf der Welthandel, an der ich studierte und doch nur Fächer wie Soziologie, Geographie und Spanisch belegte. Die Wiener Festwochen fanden im 20er Haus und in der Arena statt und die Stadt schien aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Oder vielmehr aus ihrer spießbürgerlichen 50er Jahr Idylle mit den tausenden Geboten und Verboten. Jerome Savary sprengte in der besetzten Arena die Grenzen des Schaukastentheaters für mich das erste Mal. Und es gab auch plötzlich einen Radiosender mit richtiger Musik. Ö3 war 1967 gegründet worden und ich musste nicht mehr wie früher stundenlang Radio Luxemburg unter der Bettdecke suchen, damit die Eltern nichts mitbekamen. Und so ging ich also einfach hinein ins Funkhaus zu meinem Termin mit Ernst Grissemann. „Was willst machen?“ „Ich habe mehrere Ideen. Carol King, Mercedes Sosa, Atahualpa Yupanqui und kubanische Musik.“ „Na, dann mach!“ Und ich machte es! Ohne Studium, ohne zehntausend Praktika, die heute nötig wären, um im Funkhaus überhaupt weiter als bis zur Portierloge zu kommen. „Duerme, duerme negrita“ war in Ö3 zu hören und die wilde, tiefe Stimme der Indios. Die Sendung über Kuba allerdings wurde nicht genommen. Warum wohl? Wie war ich doch der Zeit voraus! Es war schön im Zimmerchen von Herrn Grissemann!
Erich Sedlak: ORF-Interview mit einem Dichter (Auszug)
Ort: Funkhaus Wien, Argentinierstraße, Zeit: Um das Jahr 1975, damaliger Leiter der Abteilung Literatur und Hörspiel: Ernst Wolfram Marboe.
Redakteurin: Herr Schediwa, ich darf Sie heute im Landesstudio Niederösterreich sehr herzlich begrüßen und Ihnen meine erste Frage stellen ...
Dichter: Stellen Sie nur! Vielleicht könnten wir bei dieser Gelegenheit gleich meinen Lyrikband „Violette Mondscherben“ erwähnen, der soeben im Verlag Noro ...
Redakteurin: Später! Was unsere Hörer daheim am meisten interessieren dürfte: Warum haben Sie vor dreißig Jahren als ganz normaler Mensch mit dem Schreiben begonnen?
Dichter: Das war eher ungewollt. An meinem Schicksalstag damals, da wollte ich ja eigentlich zur Alpenvereinssitzung … so wie jeden ersten Dienstag im Monat.
Redakteurin: Zur Alpenvereinssitzung?
Dichter: Jawohl! Wie ich jedoch in den Vortragssaal hinein geh’, seh’ ich mich plötzlich zehn wildfremden Personen gegenüber. Entschuldigung, hab’ ich gefragt, ist heute nicht die Alpenvereinssitzung? Oder seid’s ihr Bergsteiger von einer Filiale? Nein, nein, war die Antwort, hier beginnt sogleich eine Lesung von einheimischen Dichtern.
Redakteurin: Sie hatten sich also im Dienstag geirrt gehabt?
Dichter: Genau! War leider schon der zweite im Monat. Aber damit’s nicht so blöd ausschaut, bin ich in der ersten Reihe vor den zehn anderen sitzen geblieben.
Redakteurin: Das heißt, Sie haben Ihre erste Dichterlesung eher zufällig miterlebt?
Dichter: Sozusagen! Ein Rotbärtiger hat für den zahlreichen Besuch gedankt. Damit hat er eindeutig mich gemeint.
Redakteurin: Und die anderen? Die waren alle Dichter?
Dichter: Erraten!
Lydia Mischkulnig: Das Funkhaus Syndrom
Der öffentlich rechtliche Rundfunk mit seinem Kulturauftrag. Dafür steht das Funkhaus. Das heißt, man zahlt die Gebühren für den Inhalt der Programme, die dem Kulturauftrag nachkommen. Das heißt im Prinzip für Ö1, abgesehen von dritten Fernsehkanal und anderen Schienen. Fernsehen funktioniert anders, schleppt die Technik des Bildes mit sich. Radio ist leicht und reagiert flink und geistesgegenwärtig im Takt der Stadt des Landes der hiesigen Gesellschaft mit. Schafft Inhalt aus den vielen Inhalten und ergibt eine akustische Form, nenne es: Radio ist das Medium der Sprache. Dazu braucht es Räume, in denen gestaltet werden und der Geist wirken kann. Der Geist soll umgesiedelt werden und die Immobilie um eine lächerliche Summe den Besitzer wechseln. Wer kassiert die Provisionen? Wozu zahle ich die Gebühren, wenn der Kulturauftrag in einen Korruptionsauftrag verwandelt wird? Im Sinne des Zentralismus versus Diversifität. Radio, die Wortsendung, schafft nämlich Kommunikationsknotenpunkte im Gespräch, in der Literatur, in der Analyse und Konfrontation ganz anderer Töne, die auf den Punkt gebracht, das Hörspiel ergeben mit seinen Verträgen, die schon vor Jahren den Autoren und Autorinnen den Garaus machten. Wozu also Gebühren zahlen? Für die Contentmanager der Formate zukünftiger Onlinekanäle, die sich speisen aus den eingesandten Beiträgen der SelbstausbeuterInnen, deren Beiträge sich zunehmend banalisieren werden, weil die Professionalität fehlt und gar nicht entstehen kann. Das bedeutete, der öffentlich rechtliche Rundfunk erfüllt nicht nur seinen Kulturauftrag nicht, sondern arbeitet daran, den Qualitätsjournalismus abzuschaffen und die Existenzgrundlage der Kulturschaffenden und Inhaltschaffenden zu zerstören - arbeitet daran ein kritisches Medium handzahm zu machen, um eine politische Nomenklatura ungehindert schalten zu lassen. Ein zum Himmel schreiender Wandel ist das für den Kulturauftrag. Worte haben ja die Macht, die Missstände aufzuzeigen. Welcher politische Geist steht hinter dem Verkauf des Funkhauses? Aber handeln – das muss der Mensch schon selber, und dazu sind Geschäftsführung und Stiftungsrat- na? Wie ist das mit dem Kulturauftrag? Funkhaus verkaufen? Um ihn zu erfüllen? Mit meinem Wort besitze ich dieses Haus. Mit meinem Körper besetze ich dieses Haus. Hier und jetzt – als Zeichen. Es gehört Ihnen, sehr geehrte Damen und Herrn.
Brigitte Meissel: Was ich dem Rundfunk verdanke
Was Krieg und Flüchtlings-Dasein für ein intelligentes Kind bedeutet: Ich musste es erfahren! Die Schule wurde 1944 zum Gefangenenlager, zum Lazarett ... so fing es an. Mutter und Großmutter zum „Kriegsdienst“ verpflichtet ... Kind allein zu Haus. Wissbegierig hing ich am Radio buchstäblich Tag und Nacht; lernte kreuz und quer, Begriffe erklärten sich wie von selbst durch Geschehnisse und bittere Erfahrungen. Viele Jahre später als junge Frau mit kleinen Kindern ans Haus gebunden, wieder keine Chance auf Weiterbildung. Aber da war der Schulfunk! Da gab es Literatursendungen, da gab es Information über Künstler aller Art. Heimarbeit und Radiohören war mein Bildungsprogramm, nach dem ich so sehr gierte. „Mein Radio“ hat meine Interessen und meine Neugierde wach gehalten, mir eine Basis geschaffen für spätere Bildungsansätze und Orientierungen. Ich lerne immer noch viel aus dem Kultursender Ö1, er ist mein treuer Begleiter geblieben, durch alle Schicksalsschläge. Ich wäre nicht geworden, was ich bin, hätte es diese, lange Zeit meine einzige Chance zu lernen nicht gegeben. Ich bin unendlich dankbar für das, was mir Ö1 bietet und mein Radio generell für mich bedeutete. Ein Leben lang!
Armin Anders: Höre (Dreimal)
Wer Ohren hat
Zu hören
Der höre
1.
Ich höre.
Ich hörte.
Ich habe gehört.
Ich höre, dass das Ende naht.
Ich hörte, dass das Ende unausweichlich ist.
Ich habe gehört, dass alles enden muss - also auch ich.
Ungern höre ich also von meinem eigenen kommenden Ende.
Gerne hörte ich zugleich vom Ende feindlichster Mitmenschen.
Gehört habe ich auch vom Ende solcher, die vom Ende erzählten.
Ich höre, dass die Menschen sich Geschichten erzählen, um zu überleben.
Ich hörte, dass die Geschichte die Menschen verschlinge alswie ein Monster.
(Ich habe gehört, dass keine Geschichte die mörderische Geschichte verändert.)
2.
Du hörst.
Du hörtest.
Du hast gehört.
Du hörst, dass mein Ende naht.
Du hörtest, dass mein Ende unabwendbar ist.
Du hast gehört, dass mein Ich enden muss – so sagten sie.
Ungern hörst du also von meinem ausgesprochenen Ende.
(Gerne hörtest du zugleich vom Ende unerfreulicher Mitmenschen.)
Gehört hast du vom Ende meiner Arbeit an meinem großen EndeText.
Du hörst, dass ich die Geschichte, die ich erzähle, sicher nicht beenden werde.
Du hörtest, dass die Geschichte meine Geschichte beendet, indem sie mich beendet.
(Du hast gehört, dass es keine andere Geschichte zu erzählen zu gebe alsvom Ende.)
3.
Wir hören.
Wir hörten.
Wir haben gehört.
Wir hören, dass alles ein Ende hat.
(Wir hörten, dass ein Ende immer ein Tod ist.)
Wir haben gehört: es gut sei wie es ist – so wurde erzählt.
Ungern hörten wir von deinem unbegreiflich angefangenen Ende.
(Gerne hörten wir vom Ende anderer, aber nicht des Einen, der schreibt.)
Gehört haben wir vom Ende der Arbeit des Einen an seinem letzten EndeText.
Wir hören, dass die Geschichte, die zu erzählen ist, nun vor ihrem Ende endet.
Wir hörten, dass die Geschichte die Geschichte des Einen miteinemal beendet.
(Wir haben gehört, dass dein Enden demnächst ein Ende hat – wird es dabei bleiben?)
Reinhold F. Stumpf
Wenn ich mit dem Fahrrad die Argentinierstraße hinunterfahre, bin ich einer der wenigen, der den abschüssigen Weg nicht zur Beschleunigung nutzt, sondern bewusst bremst. Ich bremse für das Funkhaus. Ich lasse das Rad gemächlich an diesem denkmalgeschützten Bau vorüberrollen und stelle mir vor, was da drinnen gerade alles passiert. Welcher Moderator, welche Moderatorin mag jetzt vor dem Mikrofon sitzen? Was sagen sie der Stadt, dem Land? Welche Musik oder welchen spannenden Beitrag schicken sie in diesem Moment durch den Äther? Augenblicklich werde ich der Faszination gewahr, dass genau zu dieser Zeit von genau diesem Ort all jene Bereicherung ausströmt, die für mich und so viele andere Menschen zu einem Lebensinhalt geworden ist. Im Gegensatz zu meinen Texten habe ich das Haus jedoch noch nie von innen gesehen. Ich möchte mein Rad abstellen und spontan hineingehen, mich im Radiocafé zu den Leuten setzen und mich in ein Gespräch verwickeln lassen. Vielleicht lädt mich ja jemand zu einer Führung ein, zeigt mir gar ein Studio oder den großen Sendesaal. Ich möchte die Luft schnuppern, in der seit achtzig Jahren Rundfunkgeschichte geschrieben wird. Ich möchte … Irgendwann sehe ich die Kuppel der Karlskirche vor mir. Ich trete in die Pedale und denke an den späten Nachmittag, wenn ich wieder hier vorüberkomme. Dann passiert dasselbe noch mal. Aber diesmal weiß ich: Es geht bergauf.
Rubina Möhring: Blog, 3.6.2012
Der Generaldirektor ruft „Hü“ und gibt dem ORF in Richtung Marxer Schlachthöfe Sporen, die Gegner erwidern „Hott“ mit Gegenargumenten. Marx-Murks – nur so lässt sich inzwischen das Hickhack um die nicht enden wollende Frage benennen: Wohin mit dem medialen Flagschiff ORF? Zunehmend torkelt der öffentlich-rechtliche ORF in eine handfeste Standort- samt fundamentaler Sinnkrise. Frei nach dem Motto: Was die EU samt Eurokrise kann, können wir als medialer Austro-Minimundus allemal. Zu hoffen ist, dass der ORF in Sachen Imageverlust nicht wesentlich mehr Federn lassen muss. Dies in jeder Hinsicht. Die Gebühren werden erhöht, die Inhalte treten in der öffentlichen Wahrnehmung in den Hintergrund. Von größerem Interesse ist, wo der ORF künftig seine Schaltstellen-Zelte aufschlagen wird. Auf diese Frage wird derzeit die Bedeutung des ORF reduziert und kommuniziert. Auch um die interne ORF-Kommunikation ist es derzeit offenbar nicht zum Besten gestellt. Ein Teil der Belegschaft – "Rettet das Funkhaus" – verweigert sich der intern angesagten Standort-Dressur. Andere qualifizierte ORFniks verabschieden sich vorsichtshalber noch vor dem finalen Showdown im Übersiedlungs-Parcours. Sie verlassen das öffentlich-rechtliche Flaggschiff, heuern flugs bei privaten Sendern an. Schade. Gut ist dies für das gesamte Image des ORF nicht. Souverän im Sinne eines lebendigen innerbetrieblichen Diskurses wirkt noch weniger, dass versucht wird, die Plattform „Rettet das Funkhaus“ auf den hausinternen Computern abzuwürgen. So etwas bringt nur unnötigen Ärger und sonst gar nichts. Immerhin hat die Aktion derzeit bereits an die 7000 in- und externe UnterzeichnerInnen. Das ist ein klares Statement. Kompromiss innerstädtische ORF-Newszentrale? Wie wäre es – ORF-in und -extern – statt kraftraubender Machtkämpfe mit einem dem nationalen Leitmedium dienlichen, sinnvollen, imagefördernden Kompromiss? Warum diese Verhärtung der Fronten, dieser Mangel an Souveränität und Flexibilität? Warum will der ORF partout – der Philosophie von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser folgend – das „Familiensilber“ verscherbeln, um sich anderswo teuer einzumieten? Warum keine Neudefinition des Funkhauses zum Beispiel als innerstädtische ORF-Newszentrale? So könnte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch kostenbewusst das Stadtstudio ersparen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Stattdessen nur der Insel-Blick nach innen, nicht jedoch nach außen? Anderswo wurden sogar erfolgreich zuvor autonome öffentlich-rechtliche Bundesländer-Anstalten fusioniert, siehe der SWR in Baden-Württemberg. Beide Vorgänger-Institutionen blieben innerhalb dieser Zusammenlegung in ihrem autonomen Selbstverständnis erhalten. Beim ORF geht es derzeit um eine im Wiener Zentrum gnadenlos angepeilte Fusion von TV, Radio & Internet. Manche Kenner unken, vornehmliches Ziel sei MitarbeiterInnenabbau und kostensparendes Informationseinerlei. Wertschätzung von Inhalten rangiere unter dem Begriff Gedankenverschwendung. Auf dem Spiel steht dabei vieles: die Glaubwürdigkeit des nationalen öffentlich-rechtlichen Mediums, dessen vielfältige Information vorbehaltlos als freie Information garantiert sein sollte. Auch in diesem - demokratiepolitisch eminent wichtigen - Sinn ist die bisher gepflegte Übersiedlungsrederei rundum kontraproduktiv. Bleibt der ORF in deren Fängen, rutscht die Diskussion um Inhalte noch weiter auf der Imageskala hinunter. Diese jedoch sollten den ORF auszeichnen, nicht Schlagzeilen über nebulöse Standortpräferenzen – als Nebelwerfer für ernsthaft zu hinterfragende, interne Struktur – sprich Sparmaßnahmen anstelle inhaltlicher Qualitätserhaltung oder gar -steigerung.
Rubina Möhring: Blog 11.2.2014
Der Betriebsrat protestiert, die ORF-Belegschaft geht auf die Barrikaden: Dem traditionellen ORF-Haus in der Wiener innerstädtischen Argentinierstraße droht das Aus. Begründung: Sparmaßnahmen und entsprechende hausinterne Synergieeffekte. Kommando ab in das ORF-Schlachtschiff am zentrumsfernen Küniglberg. In jeder Hinsicht kein gutes Signal in Sachen ehrlich praktizierter Medienfreiheit Warum? Auch Medienfreiheit braucht historische Ankerplätze, im so genannten Guten wie auch in ebensolchem Bedenklichen. Gibt der ORF das Radio-Kulturhaus auf, macht er sich selbst geschichtslos. Passen wir nicht auf, geht auch dieses inzwischen noch einzig verbliebene, historisch relevante Mediengebäude Österreichs im Dienste schnöden Mammons flöten. Urzelle des heutigen ORF Das Funkhaus Wien, das Radio-Kulturhaus, ist eine der Urzellen des heutigen ORF, entworfen von dem legendären Architekten Clemens Holzmeister, später erweitert von Gustav Peichl. Es ist eine traditionelle Schaltstelle reflektierter Information. Einzig vermeintlicher Makel: Baubeginn war 1935 während der austrofaschistischen Diktatur, also ein Jahr nach dem Bürgerkrieg. Doch auch das ist Teil nicht leichtfertig wegzuwischender österreichischer Geschichte. Was das mit heutiger Medienfreiheit zu tun hat? Sehr viel, zumal in der steten Erinnerung an den damaligen Kampf um Medienfreiheit. Auch im heutigen, inzwischen demokratisch abgefederten Wohlfühlland Österreich. Sicher, man könnte später eine Gedenktafel anbringen. Sozusagen als endgültiges, archivarisches Einstauben und als kleine, unscheinbare Erinnerung an andere Zeiten. Auch an die nach 1945. Weg mit dem alten Zinnober. Alternative Organisationsschemata Man könnte aber auch über alternative, interne Organisationsschemata nachdenken. Wie wäre es, wenn das bisherige Radio-Kulturhaus in der Argentinierstraße das multimediale News-Zentrum des ORF würde? Vielleicht könnten so sogar die Kosten des Stadtstudios eingespart werden. Vorstellbar ist auch, die exklusiv für ORFler wohlfeil angebotenen, betriebseigenen Wohnungen gegenüber dem Funkhaus zu Verwaltungsräumen umzufunktionieren. Die Redaktionen semiaktueller oder Langzeit- Redaktionen könnten ihren Standort tatsächlich auf dem Küniglberg finden. Dort droben über dem Schloss Schönbrunn, weit weg vom städtischen Geschehen, dafür unter der direkten Obhut des Generaldirektors und dessen Finanzbosses. Der könnte dann den Rest des dortigen Gebäudekomplexes vermieten. Dann käme vielleicht auch ein zusätzlicher, frischer Wind in die grauen Betonmauern. Bunkerstimmung Aus eigener Erfahrung kenne ich die dortige Bunkerstimmung – böse Stimmen sprechen sogar von einer geschlossenen Anstalt. Weit und breit kein Beisl, keine Kommunikation mit dem so genannten Volk, also betriebsfernen Menschen. Bleiben also nur wenige Betätigungs-Möglichkeiten: vor sich hinarbeiten, im hausgemachten Saft schmoren oder halt intrigieren. Im heutigen Funkhaus bliebe dann sogar auch der schöne, große Senderaum erhalten. Man stelle sich vor, in die Argentinierstraße 30a zöge gar eine private Wellness-Klinik ein und die Bühne des Senderaums würde ein Fitness-Tummelplatz. Sind solche Gedanken überhaupt erlaubt? Keine Ahnung. Warum eigentlich nicht?
Bernd Schmidt: Die Ohrläppchen des Heinz Conrads, Eine Erinnerung an das Funkhaus in Wien
Meine Erinnerung an einen Besuch des Funkhauses in der Wiener Argentinierstraße 30 A ist eigentlich die an eine Aufnahme der Langzeit-Radiosendung „Was gibt es Neues?“ von und mit Heinz Conrads, irgendwann zu Beginn der 1960er Jahre. Wiener Freunde meiner Eltern, Bekannte aus der gemeinsamen Sommerfrische in der Oststeiermark, hatten uns wieder einmal zu sich in die Donau-Metropole eingeladen, um uns dabei sukzessive Besuche der Staatsoper, aber auch der Wiener Eisrevue, des Flughafens Wien-Schwechat et cetera zu bieten. Diesmal also eine Visite beim damaligen Inbegriff des Österreichertums, beim Volksschauspieler, Charakterdarsteller und Komiker Heinz Conrads, kurz: bei einer Live-Aufnahme einer seiner sonntäglichen Radio-Sendungen. Ich schätzte – im Unterschied zu den meisten meiner Mitschüler – den vielseitigen Mimen besonders als exzellenten Couplet-Sänger (weniger freilich als Darsteller in meist eher seichten Filmen), war beim einzigen Mal, da ich ihn persönlich erleben konnte (und nicht via Fernsehen in „Guten Abend am Samstag“), indes am meisten über seine tatsächlich riesigen Ohrläppchen überrascht. (Auch meine diesbezüglich recht kritische Großmama stieß sich, bei aller „Heinzi“-Vorliebe, sah sie ihn im TV, an der optischen Dominanz seiner Hörorgane.) Heute weiß ich, dass Conrads' Ohrläppchen wirklich keine Lappalie waren – noch dazu in einem Funkhaus, das doch akustischen Zwecken diente. Diese Erinnerung allein schon begründet meine Haltung: So ein hehres Gebäude gehört nicht verkauft! „Heinzis“ Ohrläppchen sprechen eindeutig dagegen.