Leseprobe:
Dann der Streit mit Anna. Im Nu hatte sich alles hochgeschaukelt. Auf einmal ertrug ich ihre künstliche Aufgeregtheit, K. und auch mir selbst gegenüber, nicht mehr. K.s Besuch hatte das alles noch verstärkt. Die aufgestaute Wut platzte aus mir heraus. Ich blickte in ein Gesicht, das mir völlig fremd war, eines Menschen, den ich nicht kannte, der in unendlicher Entfernung von mir lebte. Ihre Rollen, Stücke, in denen Anna gespielt hatte, in denen ich sie auf der Bühne erlebt hatte, fielen mir ein. Und unser Leben kam mir vor wie eine Erfindung; eines dieser Stücke, die jemand wie dieser Regisseur inszenierte, Abklatsche, Reste von Wirklichkeiten, Kulissen. K. als Statist, der mit uns am Tisch saß, als Anna auf mich einschrie. K., der uns beide beruhigen wollte. Ich verstand nicht. Wie im Stiegenhaus sah ich nur K.s Lippen, die sich bewegten. Wir räumten die Gläser weg, schweigend. Als eines zu Bruch ging: "Kristall", sagte Anna, und zuerst dachte ich wirklich, sie hätte geniest. Es war vorbei. K. ging. Überall in der Wohnung war der süßliche Geruch nach dem Kaninchenfleisch.
(S. 57)
© Limbus Verlag, Innsbruck 2016