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Leseprobe: Norbert Gstrein - "Das Handwerk des Tötens."

Ich dachte schon, sie würde nicht mehr darauf zurückkommen, aber dann sagte sie doch, daß der Krieg für sie zuerst vor allem eines gewesen war, nämlich die Wehmut, etwas unwiederbringlich verschwinden zu sehen, selbst wenn es für sie ohnehin nie existiert hatte, und während sie auf einmal hilflos zu gestikulieren begann, vermochte sie ihren Blick nicht von dem breiter werdenden Wasserstreifen loszureißen, der uns von der Anlegestelle trennte. Es war nur ein Blubbern hinter dem Heck, und doch starrte sie darauf und sprach wie zu sich selbst, geradeso, als wäre sie zum ersten Mal auf diesen Widerspruch gestoßen und erwartete erst gar nicht, daß ich mich dafür interessieren könnte, geschweige etwas davon verstehen.
"Nicht daß es um das Land gegangen wäre", sagte sie, und der Satz hatte ein weit offenes ende. "Es ist etwas anderes gewesen."
Dabei sah sie mich noch immer nicht an, und ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, kurz darauf muß sie die Konserven erwähnt haben, so lächerlich das klingt, die Fischdosen, von denen ihre Großmutter angeblich ein ganzes Vorratslager gehabt hatte, eine Holzkiste voll, die jahre-, wenn nicht jahrzehntelang, unangetastet unter allerlei Gerümpel in ihrem Schuppen gestanden war. Dahinter verbarg sich zunächst nichts Besonderes, nur das übertriebene Horten von jemandem, der einen Krieg mitgemacht hatte und sich von einem Menschenleben gar nichts anderes vorstellen konnte, als daß es früher oder später in eine Katastrophe mündete, und ich erinnere mich, wie ich mich schon gefragt habe, worauf sie hinauswollte. Es waren die Aufschriften, und sie kostete jede Silbe aus, als sie endlich damit herausrückte, ich habe ihre Stimme noch in den Ohren, den triumphierenden Klang, und sehe sie selbst wieder vor mir, ihre Augen auf einmal doch auf mich gerichtet.
"Auf den Etiketten ist made in Yugoslavia gestanden, und der Witz war, daß es statt eines Verfallsdatums nur einen Zusatz gab, der dem unbegrenzte Haltbarkeit bescheinigt hat."

(S. 184f.)

© 2003, Suhrkamp, Frankfurt am Main.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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