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Leopold Federmair: Monden. Der Wellen Schatten.

Leseprobe:

 

Oder hatte ich nicht alles in einer anderen Nacht begonnen, in einer dieser zahllosen Nächte, die sich überlagert, wie sich auch die Tage überlagern und ... aufschichten, einen Berg bilden, den wir beide hier abtragen, Nacht für Nacht. Als mich etwas aus dem Schlaf riß und ich aufschrie und mit dem Kopf gegen die Decke stieß, mit dem Knie gegen das Transistorradio, das sogleich seine Stimmen ergoß. Ohne daß ich sie ergriffen hätte, hielt ich die Taschenlampe in der Hand, und sie ging an, durch Reibung, Hitze ertönte der Lichtkegel, dem das Tier nachkrabbelte, dieses unbeschreibliche Insekt: ein Tausendfüßler mit einem braunen, länglichen, ovalen Körper, eine, ich weiß nicht, Mandala, sagt man, ähnlich dem blinden Handtellerspiegel, der in der Meditationshütte hängt, aber braun schillernd wie eine Kakerlake, pumpend und blubbernd, ein einziges Herz, eine einzige, leere, unsterbliche Kammer. Umrahmt von einer grellweißen Linie, dann noch einmal ein schmaler brauner Streifen, dann die Füße, schwarz, Krallen, schwarz, wimmelnde Messerchen, ein Herzautomat, der zum Spalt drängte und das Licht und mich hinter sich herzog. Zurück blieb Nanu, ich sehe sein erschrockenes Gesicht, hier auf dem nachtschwarzen Schirm, hier leuchten die verstörenden Umrisse eines Wesens, das am Trost scheiterte. Mein Fuß schmerzte höllisch, der Schmerz zog herauf bis zur Hüfte, am Rand des Lichtkreises sah ich die rote Schwellung, einen Auswuchs, der nicht zu mir gehörte. Ich stieß die Türflügel auf, kroch hinaus, duckte mich an den Rand des Betts, in dem Monden schlief, wenn er schlief - in dem Augenblick dachte ich gar nicht daran, daß ihn mein Schrei und das Rumpeln geweckt haben mußte. Der Tausendfüßler war jetzt verschwunden, die Lampe erloschen, wie von selbst, der Herzautomat unter die Bettdecke geschlüpft, wimmelte jetzt zwischen den Beinen Mondens ... oder nicht, war vielleicht schon im Keller, wo er hingehörte, zu Seinesgleichen oder nicht, eine Assel, die sich in den vertikalen Durchschlupf verirrt hatte. Täusche ich mich, oder hatte sich Monden im Bett aufgerichtet, einmal zweimal dreimal, rhythmisch, wie bei einer gymnastischen Übung, also wies er mir doch den Weg ins Bad, Ratschlag mit auf den Weg: Heißes Wasser, das mußt du ertragen, den Tod der Assel verantworten, das Leben aus deinem eigenen Tod. Ich stand die halbe Nacht ... oh, ich übertreibe, aber stehen Sie mal dreißig Minuten in der flüssigen Hölle bei fünfzig oder sechzig Grad Celsius, dann wissen Sie, daß einem die Worte fehlen, genauso wie einem das Gespür fehlt, weil der Schmerz zum Körperteil wird, schließlich der ganze Körper, Sie spüren nichts mehr. So eine Feuerprobe ist schwer und leicht zu bestehen.

(S- 179-180)

© 2017 Otto Müller Verlag, Salzburg

 

 

 

 

 

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