logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Barbara Glauert Hesse - "Paris tut not"

6. AN RAINER MARIA RILKE NACH CAPRI

Paris.
16, rue le Verrier
9. Januar 1907.

Ich fühle mich fast zu beschämt mich noch zu erkennen zu geben, verwünsche mein faules Schreibtemperament und kann doch dafür kaum eine Entschuldigung erhoffen. Meine gute Absicht wage ich mit dieser Postkarte zu verteidigen. Sie kam im November zu mir zurück, den Weg den sie machte, können Sie verfolgen. Ich reiste damals direct nach Paris zurück, um meinem Bruder oder vielmehr den Nachrichten über sein Befinden näher zu sein, schwankte lange zu ihm zu reisen und gab es doch auf, da er vorhatte dem heimtückischen Sorrent sobald es ihm seine Kräfte erlauben mochten zu entrinnen.
So hatte ich einen einsamen September in Paris, war fast Claire's einziger Gast, und genoß einen köstlichen Nachsommer, der Paris über alles verführerisch machte. Wollte noch im Oktober reisen, verschob es auf ein Wiedersehen in Deutschland u. zum Schluß kam mein Bruder selbst nach Paris (inzwischen war es Dezember) und gestern kehrte ich von einem Weihnachtsaufenthalt in Stuttgart zurück.
Nun wissen Sie meine Lebensgeschichte seit dem Juli. Bei Gott als ich mich so getrost nach St. Pol de Leon stürzte ahnte ich nicht mit welchen Ängsten es mich erwartete u. entlaßen würde. Doch es hat sich alles zum Guten gewendet, mein Bruder sieht wohl aus, ist augenblicklich in Berlin (wie ich ihn beneide!) u. wohl erst zum April wieder in Sant Agnello.-
Ihren Brief aus Belgien erhielt ich wohl, und den letzten auch.
Ich bedaure Ihren vergeblichen Besuch und mein Bruder läßt Sie grüßen und würde sich über Ihren Besuch sehr gefreut haben. (...)
(S. 15)

24. AN MATHILDE VOLLMOELLER NACH STUTTGART

Paris,
17 rue Campagne Première
am 20. July 1908

Madame Cordier kommt mit Ihrer Karte zu mir, und das ist mir lieb, weil ich auf diese Weise zu Ihrer Adresse komme und zur Möglichkeit, Ihnen die vielen Grüße zu schicken, die sich nach und nach in mir angesammelt haben. Da sind sie.
Und nun schade um jeden Gedanken, den Sie sich nachträglich über den versäumten Termin und was damit zusammenhängt gemacht haben: ich habe die Miethe in Ordnung gebracht, wozu ich ja der Nächste war und jedenfalls der für den die geringste Mühe damit verbunden war. Und obwohl ich erst am sechzehnten die Quittung einlöste, war ich, glaube ich, doch noch der pünktlichste Zahler, denn das Meiste im Hause ist verreist; und so haben wir keine Schande aufgehoben.
Mein Gott, sag ich mir immer noch jeden Morgen, was hab ichs doch gut hier bei Ihnen; mir scheint ich war noch nie so entsprechend und vernünftig untergebracht. Sogar die Facteurs, wenn dann und wann einer kommt, nehmen neue Kräfte bei mir ein und gehn getröstet an ihren weiteren Beruf: so luftig und kühl und heimisch thut es ihnen hier an.
Ich habe trotzdem schlechte Zeiten hinter mir, noch ganz nah; aber ich frag mich, ob ich sie in einem anderen Raum überhaupte durchgemacht hätte, dicht und struppig wie sie waren. Erst jetzt fang ich an, nützlich zu arbeiten und mit einem kleinen Vorgefühl von Muth; und wir haben so kühle Tage, daß auch ds eine Hülfe ist zu unaufhörlichem Am-Stehpult-Stehen. Allerdings auch kalten Regen, der die braunen Kastanienblätter früheztig abschlägt, und den Akrobaten des Quatorze Juillet, die ich sorgfältig wieder aufgesucht habe, viel Unrecht gethan hat.
Voriges Jahr waren Sie noch hier an diesem Tage; heuer rieth ich, wo Sie sein möchten und kam auf keinen richtigen Einfall.
(...)
Leben Sie herzlich wohl. Ihr Besitz grüßt Sie mit mir in Treue und Anhänglichkeit. Alles Gute für den Rest des Sommers und Fernseins
von Ihrem
R.M.Rilke
(S. 37)

©2001, Wallstein, Göttingen.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...