logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Leseprobe: Leo Glückselig - "Gottlob kein Held und Heiliger."

"Vergeßt uns nicht, nehmt Österreich mit!"
Flucht

Wir wußten, daß wir jetzt unbedingt so schnell wie möglich das Land verlassen mußten. Das Affidavit hatten wir bereits, aber die Steuerunbedenklichkeitsbescheide für meinen Vater waren noch immer nicht ausgestellt. Später erfuhren wir, daß ein österreichischer Beamter die Papiere meiner Eltern zurückgehalten hatte, weil er sich wohl eine ordentliche Bestechung erwartete. Die Gier so eines korrupten Beamten konnte einen Menschen damals das Leben kosten!
Ich berichte hier nicht über alle Geschehnisse dieser schrecklichen Zeit, denn ich will keine Horrorstory erzählen. Jeder weiß heute, daß es ein Horror war. Was viel wichtiger ist und viel schwieriger, ist der Versuch, das zu erzählen, was jeder einzelne als Mensch durchgemacht hat. Die Verfolgten, Gequälten, Gedemütigten wurden Stück für Stück ihrer Würde beraubt. Über Stunden, über Tage, Monate, manchmal, falls man irgendwie überlebte, über Jahre. Um ihre Menschenwürde zu bewahren, begingen manche Selbstmord. Auch ich kam so einem Moment sehr nahe. Tage voller Angst und Horror lagen hinter mir. Ich fürchtete um das Leben meiner Familie und meiner Freunde. Einer war nach einem Besuch bei uns vor unserem Haus erschlagen worden, einfach weil er Jude war!
Es war ein ruhiger Nachmittag. Ich kam nach Hause, ohne an Selbstmord zu denken. Aber ich war voller Schmerz und ohne jegliche Hoffnung. Ich wußte nicht mehr, was ich tun sollte. Zwielicht lag über Wien. Es war weder hell noch dunkel. Der Raum war düster, das Fenster stand offen. Da setzte ich mich auf den Boden. Es war wie unwillkürliches Stöhnen. Ich konnte mich nicht auf einen Stuhl setzen. Ich konnte nicht denken. Und ich sehe noch die Vorhänge vor mir, wie sie der Abendwind leise in den Raum hineinwehte. Man könnte meinen, es war ein Moment äußersten Friedens - so völlig gegensätzlich zur Realität! Das offene Fenster zog mich an die eine letzte Hoffnung. Es würde vorbei sein. Es würde endlich zu Ende sein. Meine Muskeln begannen schon, sich in Bewegung zu setzen, da hielt mich etwas zurück. Ich weiß nicht, was. Der Moment zurück ins Leben war aber kein erfreulicher. Er bedeutetete die Rückkehr in den Horror. "Du mußt überleben!" (S. 159f.)

© 1999, Picus, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...