Hummel hörte sich unter den anderen Meistern um. Die Mehrheit teilte seine Ansicht. Hätte Haffner den Springer zur Mitte gezogen, hätte er eine sichere Druckstellung erlangt un zumindest das Unentschieden bequem erzwingen können. Der von Haffner gewählte Zug war objektiv betrachtet allerdings noch stärker. Doch es war ein Angriffszug, der das Remis ausschlug. Es bestand kein Zweifel: Jemand mußte Haffner ein Rauschmittel in den Kaffee gerührt haben. Der Wiener war von allen guten Geistern verlassen. Er spielte auf Sieg.
Hummel watschelte durch die Nebenräume. Nun half ihm auch der genossene Cognac nicht mehr. Mit einem nicht sehr sauberen Taschentuch wischte er sich Schweiß von der Stirn. Seine Hände zitterten so stark, daß er es fast nicht fertigbrachte, sich eine Zigarre anzustecken. Den Spielsaal wollte Hummel nicht mehr betreten. Er ließ sich von Fähndrich mit Cognac versorgen. Von einem dieser Dienstwege zurückgekehrt, berichtete Fähndrich mit sich überschlagender Stimme, daß Haffner durch den Spielsaal flaniere und in aufgeräumter Stimmung mit Bekannten spreche. Hummel tippte sich an die Schläfe. Vor Aufregung brach er beinahe in Tränen aus.
Lasker zog zum fünfunddreißigsten Mal. Ein Bote hastete durch die Räume und führte den Zug an allen Demonstrationsbrettern aus. Die Mehrzahl der Meister nickte befriedigt und rieb sich die Hände. Es war die bei weitem spannendste Partie des Wettkampfes geworden, wild, verwickelt, fast im Stil der alten Romantiker. (S. 197f.)
(c) 1998, Volk & Welt, Berlin.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.