Nach dieser Nacht des Abschiednehmens von Greti und meiner Vergangenheit sind für mich all diese Fotos und Erinnerungen wie meine Frau gestorben, wie auch die Welt für mich gestorben ist, obgleich sie objektiv und für andere nach wie vor weiterbesteht und eine entweder schöne oder hässliche ist.
Ich bin dabei, mich von allem zu lösen - nicht zu entsagen, der Begriff schließt ja etwas Wehmütiges und Verzichtendes ein, sondern die Welt als etwas, das für mich jede tiefere Bedeutung verloren hat, abzustreifen und sie, was auch den vielen Fotos bevorsteht, wegzugeben und als etwas zu vergessen, das einen wie Träume irritiert und über kürzere oder längere Strecken, aber nicht lebenslang beeinflusst, weil es ein komplexes Geflecht von nicht leicht zu durchschauenden Phantomen ist.
Was zu tun war, ist, meine ich, getan und kann abgehakt werden. Ich brauche keine Fotos mehr und muss zu einem Ende kommen. Irgendwann habe ich den Satz geschrieben: Vergangenheit steht auf und öffnet alle Türen. Was war, wird immer und immer wieder sein.
Aber jetzt erkenne ich, dass er nur teilweise stimmt. Denn für mich ist zwar in dieser Nacht die Vergangenheit aufgestanden und hat nicht alle, aber viele Türen geöffnet. Aber diese werden nun von mir geschlossen werden um nie mehr aufzugehen.
Meine Greti ist nicht mehr, ich habe vor einigen Tagen, was an ihr sterblich war, in die Erde gelegt und gehe daran, jetzt, nach einer langen Nacht, auch ihr Bild und alles, was diese Frau für mich bedeutete, selbst die Erinnerungen an 44 unwiederbringliche Jahre, zu begraben.
(S. 141f.)
© 2002, Ueberreuter, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.