Hier ankommen heißt alles zerstören, anders wachse ich nicht ein, wußte ich. Um das Haus herum fing ich an.
Abholzungen jeder Art, daran lebte ich auf, die Kiefer, als Kind hatte ich sie umarmt, jetzt fällte ich sie, den Vaterbaum, den Tantenbaum, den Onkelbaum, alle hatten sie sich irgendwann hier eingepflanzt, Georg wollte es so, bei jedem Besuch wurde fotografiert und gepflanzt, die Kinder wurden fotografiert, die Erwachsenen pflanzten sich ein und wuchsen sich aus mit der Zeit zu einem Wald, der eine einzige Dunkelheit war, keine Lichtung, die Georgs Pflanzenwut ausgespart hätte, Georg selbst hatte den Schatten geliebt, auf die Sonnseite fuhr er nur nachts mit dem Boot.
Der Garten ist ein einziger Familienstammbaum geworden, den fällte ich jetzt, auch meinen eigenen Baum, den ich gepflanzt hatte, als ich nach Georg kein Kind mehr war. Einen Ludwigsbaum schien es in dem Wald nicht zu geben.
Ich schlug freie Stellen heraus, Lichtungen, die wurden größer und größer, so wurde es licht, kahl und licht. In diesem Verwandtschaftswald hatte ich mich wieder und wieder verlaufen als Kind, und Georg trieb mich immer aufs neue hinein. Unter diesen Bäumen ging er mit mir auf und ab, stundenlang. Über die Jahre hat er mir die Geschichten der Bäume erzählt, der Verwandten, die sie eingepflanzt hatten. Die Buche von Hemma, die Lärche vom Vater, das gibt gutes Holz, dachte ich, die Öfen im Haus warteten schon auf die Wärme. (S. 30f.)
Aus: Alois Hotschnig, Ludwigs Zimmer. © 2000 by Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.