Er lag auf dem Bauch, die Hände in die nasse Erde verkrallt, als könnte er sich so vor einem drohenden Absturz bewahren. Durch das Dröhnen, durch das Wimmern und Schreien der Verwundeten hörte er seinen keuchenden Atem. Schweiß beizte seine Stirn und rann wie gefriedendes Blut über seine Wangen, über seine Lippen in den Mund, wo sich das bitter Salzige mit dem sauren Geschmack von Gras und Erde mischte.
Und dann war das letzte Bild vor ihm: Wieder hatte eine Granate in den Kirchhof eingeschlagen und eine Reihe von Gräbern aufgerissen. Ein Brennendes, Schwarzes bäumte sich auf, Holztrümmer, verbogenes Eisen, Splitter von Knochen und Steinen stürzten herab. Und im nächsten Augenblick - kaum, daß ein Gedanke es fassen konnte - tobte es ganz nah vor seinen Augen. Ein Grelles, Heißes, jäh wie ein Blitzschlag, traf ihn mitten in das Gesicht. Flammenräder zischten rot, grün, violett, Glutkeile, Kugeln, brennende Pfeile. Dann war es Nacht.
Und Nacht blieb es, als er den fuchrtbaren Schmerz zu fühlen begann, der ihn wie nach einem Sturz in Tod und schwarze Leere zurück in das Bewußtsein trieb. Er wollte sich wehren dagegen. Er wollte nicht mehr zurück, aber es ließ ihn nicht los.
Eine ungeheure Flut von Finsternissen brach in ihn ein. Er wollte schreien, aber seine Zunge war starr, starr wie seine Arme, sein Rumpf, seine Beine. Er spürte nur, daß er noch da war, ein hilfloser Körper aus Nacht und Blindheit. Und Angst war da, entsetzliche Angst, die ihn packte und auf eine harte Plattform hob, die ihn über Abgründe trug, über Brücken und hallende Klüfte, die ihn niederzwang und wieder emporzog, die ihn versinken und wieder auftauchen ließ in Sümpfen und zischenden Wassern. Es zerrte an jedem seiner Glieder, bohrte sich in seine Knochen, kroch durch das Rückgrat empor und setzte sich in seinem Schädel fest wie ein höllisches Foltergerät, das von innen her seine Augen durchstach. (S. 28f.)
© 1999, Styria, Graz.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.