Diese vielen Möglichkeiten und Gefahren, mit denen das Tellerwäscherparadies aufzuwarten hatte! Da standen wir nun am Fließband, trockneten ab, was aus der Maschine kam, und diskutierten hin und her. Nein, wir drei aus Östererich hatten keine Lust, es dem Italiener nachzumachen, wir wollten einigermaßen wohlbehalten nach Hause kommen, und ein bißchen mehr von Stockholm gesehen haben als nur die schäbigen Personaleingänge diverser Restaurants. Also: die wildesten Extra-Arbeitspläne waren aufzugeben, unsere Geldgier ebenfalls. Wir beschossen, ein- bis zweimal in der Woche Doppelschichten zu arbeiten, denn das trauten wir uns zu. Höchstens dreimal! Nahmen wir uns felsenfest vor.
"Bienchen", die neben uns Teetassen abtrocknete, mischte sich plötzlich in unser Gespräch ein.
"Ihr Schlappschwänze!" rief sie. "Nur zweimal die Woche? Nehmt euch ein Beispiel an mir: ich arbeite jede Woche fünfmal doppelt. Zweimal - das ist ja lächerlich."
"Bienchen" hatte ihren Spitznamen gleich in den ersten Stunden unseres Kennenlernens bekommen. Eigentlich hieß sie Elfi, Elfi Käfer, und als sie bei unserem Tellerwäscher-Team landete, hilten wir sie anfänglich für eine Studentin aus Norddeutschland. Aber, so stellte sich bald heraus, sie war ebenfalls aus Österreich, und auch sie studierte an der Wiener Universität. Eine Kindheit in Preußen hatte ihre forsch klingende Sprache geprägt, und darüber hinaus auch ihren in wilde Emsigkeit ausufernden Arbeitseifer.
Im Gegensatz zu uns "Schlappschwänzen" war Bienchen nämlich fest entschlossen, die Semestermonate doppelarbeitend durchzustehen. "Wann immer und wo immer sich eine Gelegenheit bietet, werde ich zugreifen", versicherte sie uns in einer Lautstärke, die keine Einwände duldete.
Daß Bienchen eine Weltreise per Autostopp plante, bekamen wir bald zu erfahren. Sie redete viel, ja sie sprach eigentlich täglich davon, und alles, was sie uns wissen ließ, zeugte von wohlüberlegten Vorbereitungen: einige Großfirmen hätte sie bereits als Sponsoren gewonnen; di ePhotoausrüstung und das Filmmaterial steuere die Tochtergesellschaft eines japanischen Unternehmens bei; die Doktorarbeit sei so gut wie fertig, alle Prüfungen werde sie auch bald hinter sich gebracht haben; und im nächsten Sommer beabsichtige sie dann eine letzte Tellerwasch-Tour zu machen, da das Sponsorengeld nur einen Teil der Weltreise abdecke. Ja, klagte Bienchen, jede verdiente Öre brauche sie bitter notwendig, denn die Quartier- und Proviantkosten würden bei dem Trampen von Kontinent zu Kontinent Unmengen an Geld verschlingen. Außerdem müsse sie mit teuren Schiffsfahrten und unvorhersehbaren Zwischenfällen rechnen.
"Selbstverständlich werde ich täglich genaue Notizen machen", verkündete uns Bienchen. "Das ist notwendig. Ich will ein Buch über meine Erlebnisse schreiben." Einen Verleger habe sie bereits, fügte sie stolz hinzu.
Wir zweifelten an keinem ihrer Worte, und kamen uns sehr untüchtig vor. (S. 12ff.)
© 1999, Edition Atelier, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.