Zeichnungen von Jack Bauer.
Gedichte von Anton Herzl.
Graz, Wien: Droschl, 1998.
o. S., brosch., öS 200.-.
ISBN 3-85420-503-1.
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Vierundvierzig Aschenbecher und ebensoviele Gedichte lehnen sich in Jack Bauers und Anton Herzls "Aescher" an die optischen Täuschungen Eschers an und schaffen scheinbar Abbildungen einer gegenständlichen Realität, die sich - hier - immer wieder als Ascher nur entpuppt, um im selben Moment in Rauch aufzugehen. Bauers Grafiken lösen den gezeichneten Aschenbecher in das auf, was er ist: ein Gebilde aus Linien, aus dem erst Sehgewohnheit, Abstraktions- und Interpretationsvermögen die Illusion eines dreidimensionalen Gegenstandes erzeugen; und sie beweisen, daß es doch auch so etwas wie eine begriffliche Art des Sehens gibt. Denn so verschieden die Liniengewirre auch sind, - O und U, Kreis und Hakerl kommen doch immer nur als Aschenbecher und Zigarettenablage im Gehirn an.
Mit dem Paradoxon und der unlogische Geste im richtigen Augenblick, mit einem ständigen Drehen, Wenden und Verkehren des bekannten Sinns - und damit auch einigen Elementen des Witzes - nimmt Anton Herzl in seinen "Rauchzeichen" genannten Gedichten die jeweilige Aschenbecherform seinerseits auf, ohne jedoch nur beschreibend auf sie zu reagieren. Eher knüpft er aus der menschlichen Suche/Sucht nach Logik und erschließbarem Sinn dort, wo die Zeichnung perspektivisch kippt und der Gegenstand sich auflöst, gordische Knoten. Was gibt es auch Logischeres als: "Welche Fangfrage ist an dieser Stelle am wahrscheinlichsten?" Wie so oft, wenn sich Literatur ganz nah am alltäglichen Erfahren hält, entpuppen sich Logik und Sprachlogik als einander zuwiderlaufende Systeme, deren Interferenzen in der unerbittlichen Logik des Witzes den großen Begriff "Sinn" als eine von Menschen erfunde Vokabel entlarven. Da das Wort schon einmal existiert, suchen wir ihm eben, heiter oder weniger heiter, eine Entsprechung in der sogenannten Wirklichkeit, überlegen logisch, bis sich die Katze in den Schwanz beißt, bis sich - wie hier - die Vorderseite des Aschenbechers als seine Hinteransicht entpuppt.
Vom Kalauer zur Metaphysik, von der Erleuchtung zum Burger: "Aescher" ist eine vierundvierzigmal zweifache, amüsante bis melancholische Umspielung der Frage nach der Erstellung von Sinn und Bedeutung und eine Warnung davor, alles, worauf einen Reim sich zu machen möglich ist, gleich auch für "wahr" zu halten.
Lisa Spalt
11. November 1998