Der Pflege einer kinderlosen Frau entrissen, sah Holl sich plötzlich in eine fremde Welt gestellt. Es waren da große Räume und viele Menschen, die keine Zeit hatten für Kinder, denn sich mußten sich heftig bewegen. Die Felder waren verwahrlost und die Menschen hungrig. Gleich zu Beginn stifteten die Vorgänge um Holl eine große Verwirrung in ihm. Die Gegenstände, die auf einmal so groß und so neu auf ihn wirkten, wagte er nicht anzufassen. Von den vielen neuen Gesichtern kannte er zwei ganz flüchtig, aber er verstand nichts. Am Nachmittag und am Abend wurde er in eine große Kammer gelegt. Wenn er aufwachte, schrie er, bis jemand kam und ihn herausholte. Dann fürchtete er sich vor den Strümpfen, die man ihm auf einer Bank, während er sich wehrte, rasch über die Beine zog. Die Strümpfe waren rauh. Er zog sie sich aus, und die anderen zogen sie ihm wieder an. Er wand sich und fiel von der Bank, ohne daß er es begriff. Zwei Hände packten ihn und setzten ihn auf die Bank zurück, wo er weinte, weg wollte und wieder hinunterfiel, so daß es den Frauen, die seinetwegen von der Arbeit weg mußten, oft zuviel wurde, sie ihn packten und schlugen. Diese Vorgänge wiederholten sich oft, denn die Erwachsenen konnten sich nicht vorstellen, daß das Kind erst angefangen hatte, eine neue Welt zu begreifen. Aus einer kleinen Welt in eine Welt von Stößen und Schlägen, meistens irgendwo in eine Ecke verbannt, schaute Holl den Frauen zu, die unentwegt kamen und gingen. Eine mußte er Mutter nennen und eine Großmutter. Von früh bis spät wurde dem Kind gesagt, was es nicht tun dürfe und was es tun müsse, was es sonst noch hörte, war ihm unverständlich, waren fremde Worte, an fremde Menschen gerichtet. Es war eine große Welt, in die Holl, bald da- bald dorthin gesetzt, sich hineinzutappen versuchte. Kein Mensch, der sich mit ihm befaßte, zu viele Gegenstände, als daß er sich mit einem hätte befassen können, nur die Großmutter war da und arbeitete den ganzen Tag. Die Mutter arbeitete draußen. Zwei Jahre hatte Holl Zeit, um sich zwischen Gegenständen und Menschen ein wenig zurechtzufinden, aber es verging kein Tag, wo er sich nich an ihnen stieß oder von ihnen gestoßen wurde.
Im Sommer waren die Mutter und der Stiefvater auf der Alm. Im Herbst, Winter und Frühjahr kamen sie mit den anderen Knechten und Mägden werktags zweimal schnell ins Haus, würgten das Essen hinunter, blieben einige Minuten schweigend um den Tisch sitzen, dann kam die Großmutter in die Stube, hielt die Tür auf und schickte alle hinaus. Die einen verschwanden in den Stall oder in die Scheune, die anderen gingen schweigend hinaus auf eines der Felder oder hinauf in den Wald.
© 2002, Residenz Verlag, Sazlburg.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.