Die Tage gingen vorüber, einer wie der andere: Mein Fleisch erhob sich meist schon um 1/2 7 Uhr morgens, stellte sich senkrecht in die Dusche und spülte das überschüssige Blut ab. Ich hatte es mittlerweile aufgegeben, nach Gliedmaßen oder einem dem Kopf ähnlichen Steuerzentrum zu suchen. Das Fleisch lebte auch so, und das nicht schlecht. Ein paarmal konnte ich sogar feststellen, daß es schmunzelte, scheinbar über eine komische Situation, die ihm gerade eingefallen war. Ansonsten verbrachte es seine Zeit genauso wie unsereiner: Es fraß in sich hinein, was es schaffte, brachte manches Mal einen Stoß Manuskripte von der Arbeit mit, setzte sich abends vor den Fernsehapparat oder las ein gutes Buch .... Mein liebes Fleisch war mir inzwischen so vertraut geworden, ich hatte sein Dasein vollkommen in mein Leben integriert, daß ich eigentlich nichts Außergewöhnliches mehr an seiner Nachbarschaft empfand, viel eher dünkten mir die übrigen Mitmenschen gefährlich und unverwandt. Niemals dachte ich daran, daß dies alles einmal sein Ende haben könnte.
(c) 1997, Deuticke, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.