logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Friederike Mayröcker: Magische Blätter VI.

Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2007.
295 S.; brosch., Euro 11,40 [A].
ISBN: 978-3-518-12488-8.

Link zur Leseprobe

"So hingaloppieren, hineingaloppieren in diese Himmelssprache, süße Himmelssprache [...], mehr verlange ich gar nicht mehr in dieser meiner mir verbleibenden Zeit", schreibt Mayröcker in der hier versammelten Kurzprosa aus den Jahren 1999 bis 2005. Diesem Wunsch wohnt ein Bekenntnis inne: die notwendige Symbiose von Leben und Schreiben, die allein der Affront des Todes beenden wird.

Wer Mayröcker nicht kennt und Mayröcker nicht liebt, wird sich von ihrer zwischen Lyrik und Prosa schwankenden Privatsprache vor den Kopf gestoßen fühlen. Es bedarf nämlich einiger Lektüreerfahrung und guten Willens, um sich als Uneingeweihte(r) auf die Hervorbringungen ihrer eigenwilligen Poetik einzulassen. Zu assoziativ scheint die Syntax, zu opak der Ausdruck, zu sprunghaft die Faktur ihrer Texte. Beharrlich rückt die Dichterin dem Wortmaterial an den Leib, schüttelt und rüttelt es, sucht nach Wohlklang und Rhythmus, um scheinbar beiläufig Sinn zu erzeugen, der gemäß Derridas différance unendlich vorläufig bleiben muss. Immer wieder verfängt sich das Textsubjekt dergestalt in Sprachspielereien, Alltagswahrnehmungen und Reminiszenzen, in deren Mittelpunkt seine (eigentlich "ihre") Seelen- und Künstlerfreundschaft mit EJ alias Ernst Jandl steht.

Jandls Andenken wird mit der wehmütigen Gewissheit unwiderruflicher Abwesenheit beschworen und in berührenden Passagen gefeiert, wobei die Ambivalenz des Gedächtnisses als bloß geistiges Da-sein schmerzlich bewusst wird, wenn die Autorin etwa notiert: "Und es nähert sich alles was war, aber es ist nicht mehr da."

Erinnern, Schreiben - davon spricht uns diese Prosasammlung, die Bücher, Gemälde, Orte und Menschen in Kommentaren, diversen Essays, Hommagen, Hörspielen, Reden vorbeidefilieren lässt und vorführt, wie sich Werk und Biografie aufs Anmutigste zu verschränken wissen.

Man schlage das Taschenbuch an einer beliebigen Stelle auf und lasse sich von der Stimmung, von der Lust am Entdecken treiben. Man mache sich von hinten, von vorn an die Magischen Blätter heran, als gelte es, die Mayröcker zu überraschen. Und schon sind wir gefangen, Gefangene dieser intertextuell vernetzten, montierten Prosa, aus deren Hintergrund die Stimme Derridas je und je ertönt. Durch die Textlandschaft flanierend, empfangen wir ihre ästhetischen und intellektuellen Reize und erhalten unversehens Zugang zur Privatsphäre der Dichterin, die uns als Verletzliche und Abschied Nehmende rührt. Dabei stoßen wir immer wieder auf Beglückendes - darunter den schönsten Text, der je über die Stadt Graz verfasst worden ist. Mayröcker sei Dank!

Mayröckers Verdienst besteht fraglos in einer Sprachkunst, die nach originellen und selbstredend nicht marktgängigen Ausdrucksformen sucht, denn "so kann man ja nicht mehr schreiben wie vor 30 Jahren". Wer sich dergestalt der Ästhetik verpflichtet fühlt - und an dieser Stelle dürfen Bedenken angemeldet werden -, läuft freilich Gefahr, sich trotz Kanonisierung selbst in eine Nische der Literaturgeschichte zu verbannen. Mayröcker produziert Mayröcker auf höchstem Niveau, was betört, betäubt, ja süchtig machen kann. Aber man muss, wie gesagt, Mayröcker mögen ...

Walter Wagner
17. August 2007

Originalbeitrag

Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...