... Schwartz ließ das Brückengeländer los und ging zu dem Lokal auf der anderen Seite des Teichs, das, von vier Sandsteinlaternen eingerahmt, einem traditionellen "suljip" nachgebaut war. Eine Kellnerin in Kittelschürze und roten Söckchen wies ihm einen Tisch neben der mit Wachspapier tapezierten Schiebetür zu, die auf die verglaste Veranda führte. Sie gab ihm die Speisekarte und reichte ihm eine heiße Frotteeserviette, mit der er Gesicht und Hände abrieb. Schwartz bestellte "mandu", mit Hackfleisch, Glasnudeln und Pilzen gefüllte Teigtaschen, dazu in Bitterorangensaft marinierten Oktopus. Die Schüssel "mulkimchi" und der Aluminiumbecher Rindsuppe, den ihm das Mädchen brachte, gehörten zum Service des Hauses. Während er ohne Hunger aß, versuchte er, das aufkeimende Selbstmitleid, das er auf der Brücke gespürt hatte, und das er wie kein zweites Gefühl hasste, niederzukämpfen, indem er sich sagte, dass er alle anderen von seinem Leben ja genauso ausschloss wie sie ihn. Mit buchhalterischer Nüchternheit und ohne sich dafür zu verurteilen, listete er im Stillen auf, worin diese Ausschließungen bestanden. Weder seine Frau, noch seine Tochter, seine Geliebte oder sonst irgendjemand wussten beispielsweise, womit er sein Geld verdiente. Alexandra verschwieg er In-Hee, und In-Hee die Gefühle, die er - bisweilen wenigstens - für Alexandra empfand. Den Fahrradmechaniker ließ er in dem Glauben, einen Kunstmaler bei sich einquartiert zu haben, und dass er vorhatte, in Zukunft auch auf eigene Rechnung zu arbeiten, würde der kleine Mann aus der Via del Corso nie erfahren ...
© 2007 Leykam Buchverlag, Graz.