Im höchsten Tempo, das sein Wagen zuläßt, fährt Rettenberger auf der Autobahn dahin. Es ist noch immer kein Fliegen, vielmehr ein sattes, vom Wunsch nach noch größerer Geschwindigkeit gedrängtes Schlagen nach Befreiung. Rettenberger drückt das Gaspedal durch, alles weitere ist eine Sache des Motors, des Geländes, sogar des Windes. Doch selbst die Luft scheint ihm eingedickt, die ganze Gegend zerfließt im diesigen Licht des Hochnebels; eine ruhige, stumme Zeitlosigkeit, die nie zu einem Rückenwind werden kann.
Vermutlich wäre er irgendwann, trotz all des Schreckens, den er mit seinen Überfällen verbreitet hat und der großen Worte in den Zeitungen, im Alltag untergegangen. Auch Raubüberfälle gehören zur Normalität, und kein anderes Wort als "trostlos" geht ihm dazu durch den Kopf. Ein gutes Novemberwort. Vielleicht um seiner lebenslangen Angst vor dem Verschwinden endlich zu entkommen, hält er sich nun gewaltsam an der Spitze der Verfolgungsjagd. Er dringt kraftvoll in die vor ihm liegende Strecke, zieht seine Verfolger hinter sich her.
Rettenberger starrt nun weniger gebannt auf die Fahrbahn als zuvor; er wird nicht mehr schneller dadurch, daß er versucht, alle Entfernung zur Welt zu verschlingen. Er sieht lieber in die Luft, von einem Horizont ist noch nicht zu sprechen, und fährt. Womöglich wird es mit der Zeit auch seinem Auto leichter. Und es fährt über sich hinaus. Seine gegen das Lenkrad gestemmten Arme lockern sich, und auch das so vehement mit dem Gaspedal gegen die Beschränkungen des Autoinnenraums drückende Bein.
Im Rückspiegel formieren sich die Verfolger.
(S. 125 f)
© 2002, Jung und Jung, Salzburg, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.