Die Schilfblätter waren fein gezackt und messerscharf, Niko hatte Mühe, sich durch das Dickicht zu kämpfen. Er wollte es bis zu dem Baum schaffen, der im Inneren des Moores aufragte und der ihm erst im letzten Winter, als der Schnee das Schilf bedeckte, aufgefallen war. Von diesem Baum aus könnte er sich einen guten Überblick über die Welt der Sumpfgeister verschaffen. Niko hatte sich die Schuhe ausgezogen, um sie nicht zu beschmutzen, deshalb musste er besonders vorsichtig sein, denn der Boden des Schilfmeeres war von Brennesseln und dornigem Gestrüpp bedeckt. Er prägte sich die Richtung zum Baum vorher genau ein, die musste er einhalten, sonst fände er sich bestimmt nicht mehr zurecht. Er spürte, wie sich die feuchte Erde zwischen seinen Zehen durchquetschte. Immer wieder verharrte er kurz und lauschte. Aber er würde die Stimme seiner Mutter ohnehin nicht mehr hören können, wie sehr er sich auch anstrengte. Je weiter er sich vorarbeitete, desto mehr vergaß er alles um sich herum. Sein Kopf war voll vom Rascheln des Schilfs, das nur unwillig den Weg freigab. Niko machte sich so dünn wie möglich. Ein Bach tauchte plötzlich vor ihm auf. Durch das Gestrüpp, das über das schmale Wasserbett wucherte, war er fast nicht zu erkennen. Vielleicht war das der Weg, der zu den Sumpfgeistern führte, dachte Niko. Er kniete sich hin und tauchte eine Hand in das dunkle Gewässer. Es war warm, und als Niko sie wieder herauszog, war es ihm, als sei sie von einer dünnen, unsichtbaren Schicht bedeckt. Jetzt erst sah er, dass er sein Ziel schon fast erreicht hatte.
(S. 58f)
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