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Leseprobe: Andrea Wolfmayr - "Digitalis Purpurea."

Depressionen

Manchmal dachte Melanie, ihr ganzes Leben drehe sich nur mehr um ihre Schwiegermutter. Sophia scheute nicht davor zurück, die kürzlich montierte Klingel bei der geringsten Kleinigkeit eifrigst zu benutzen.
"Gut für deine Kondition", hatte Herbert in einem humorigen Anfall gesagt, "du gehst eh ein bißchen aus dem Leim in letzter Zeit!"
Das hätte er nicht sagen sollen. Melanie fühlte sich elend, wütend, verletzt, häßlich, ohne Hoffnung, aus der Tretmühle je herauszukommen. Depressiv bin ich, dachte sie, das grenzt an Depression, das muß sowas sein. Sie konnte sich zu nichts aufraffen, die Gartenarbeit machte ihr keinen Spaß. In der Früh lag sie wie ein Stein im Bett, schwer wie Blei, es schien unmöglich, sich zu erheben, um das Frühstück zu richten, zu Sophia hinunterzugehen, zu fragen, ob sie was brauchte, nachzuschauen, ob sie noch lebte ...
Sie lebte, freilich, war putzmunter und empfing im Bett thronend ihre Kammerzofe von Schwiegertochter. Der Wetterbericht wurde abgeliefert, die Vorhänge wurden zurückgezogen, "was willst du zum Frühstück, Mutter?", immer das gleiche, manchmal ein Ei, manchmal keines, das Cholesterin, das Herz, immer schön aufpassen!
"Du schaust aber gar nicht gut aus meine Liebe, schlecht geschlafen?"
Manchmal sah sich Melanie im Vorbeigehen im Spiegel und merkte, daß sie wirklich nicht gut aussah, grau und aufgeschwemmt. Tränensäcke unter den Augen, olivfarbene, tief eingegrabene Ringe.
Sie brachte auf einem Tablett das Geschirr zum Waschen nach unten, richtete für die Kinder das Frühstück.
"Michael, so hilf mir doch ...!"
Steffi als einzige war wirklich hilfsbereit und sah Arbeit, wo sie anfiel, aber mußte früh zum Dienst, sie hatte die Morgenschicht übernommen, um halb sieben war sie weg.
Nein, Melanie ging es nicht besonders. Lustlosigkeit, Apathie, Hitzewallungen, Nervosität, gerötete Augen, Herzjagen, Schlaflosigkeit - das waren doch alles Anzeichen eines krankhaften Zustands? Manchmal dachte sie, das seien einfach die Wechseljahre, die sich ankündigten.
(S. 88f.)

© 1998, Styria, Graz, Wien, Köln.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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