logo kopfgrafik links adresse mitte kopfgrafik rechts
   
Facebook Literaturhaus Wien Instagram Literaturhaus Wien

FÖRDERGEBER

Bundeskanzleramt

Wien Kultur

PARTNER/INNEN

Netzwerk Literaturhaeuser

mitSprache

arte Kulturpartner

Incentives

Bindewerk

kopfgrafik mitte

Christoph Zanon: Osttirol.

Eine Liebeserklärung.
Bilder von Klaus Dapra.
Herausgegeben von Franz Klug.
Innsbruck: Edition Löwenzahn, 2000.
48 S., geb.; öS 168.-.
ISBN 3-7066-2231-9.

Link zur Leseprobe

Anläßlich eines Heimatsymposiums, das Anfang der neunziger Jahre im Sellraintal stattfand, wurde der Osttiroler Schriftsteller Christoph Zanon gebeten, ein Referat zu halten. Dieser, ganz Lateinlehrer und Heimatkundler, verfaßte eine Erzählung über Osttirol, in der die geographischen Elemente aus dem "Gallischen Krieg" Caesars genauso verarbeitet sind wie die "Georgica" Vergils, wenn es um den Sinn des Lebens im Jahreskreis geht.
Jetzt, drei Jahre nach dem Tod Christoph Zanons, hat der ehemalige "Grün-Pionier" Franz Klug den Text wieder gefunden und zusammen mit archaischen Osttirol-Fotos von Klaus Dapra publiziert.

Die Erzählung "Suche nach der Identität eines Landes" ist dem Osttiroler Schriftsteller Johannes Trojer gewidmet, der kurz vor dem Verfassen des Textes verstorben war.

Der Heimat-Text Christoph Zanons ist als literarische Erzählung angelegt, die jeweils an den wichtigsten Parametern einer Heimatbeschreibung entlang geführt und mit Osttiroler Eigenheiten besetzt wird.
Der Abschnitt "Überblick" ist dem Gebirge gewidmet, das so gestaltet ist, daß es kein Entkommen gibt. Das einzige Loch, durch das der Osttiroler ohne Überwindung eines Passes fliehen könnte, führt nach Kärnten und somit ins Nichts.
Im zweiten Abschnitt berichtet der Autor von der Ausstrahlungskraft der Maschinen, die in entlegenen Gegenden eine besonders hohe Anziehungskraft auf die Grenzbewohner ausüben. Man denke nur an Franz Kafkas Erzählung "In der Strafkolonie", wo die Maschine die Gefangenen so gefügig macht, daß sie auf Pfiff zur eigenen Hinrichtung erscheinen. "In allen Lebensbereichen richtet sich der Mensch nach der Maschine. Sie spart ihm das Rätseln um das Handwerk." heißt es bei Christoph Zanon. Der moderne Mensch in Osttirol definiert sich jedenfalls über die nächstbesten Maschinen, teilt die Zeit in Abschnitte ein, die er mit dem Auto unterwegs sein kann, und fährt als Fleisch gewordener Traktor mit neuem Bewußtsein über die Felder. "Endlich war er befreit: Vorbei war es mit der ewigen Notwehr [gegen die Natur]." (S. 12)
Im Kapitel "Zweck" bricht die neue Zeit endlich komplett über das Land herein. Vorbei ist es mit dem alten Kreislauf des Jahres, der Fremdenverkehr stellt die neuen Jahreszeiten zusammen. Und das Gebot für die Einheimischen lautet: nicht nur den Fremden untertan zu sein, sondern dem Fremdenverkehr als solchem!
Für manche bleibt daher das "Weggehen" als einzige Möglichkeit, den eigenen Kopf und die eigene Haut zu retten. Die Großstädte ziehen die Bewohner dieser geistig kargen Landschaft an. "Die Großstadt wirkt wegen ihrer Massenhaftigkeit geradezu magnetisch." (S. 22)
Den Dableibern bietet sich die "Kleinstadt" als Alternative an. "Ich könnte Romane schreiben, aber jetzt ist nicht die Zeit für Romane. [...] Das Leben in einer Kleinstadt ist schwierig, aber ganz deprimierend ist das Leben in einer Kleinstadt im Gebirge." (S. 29)
Unter dem Titel "Was das Land hat" wären nach dramaturgischen Grundgesetzen schließlich die Schönheiten fällig, die ein Mensch entdecken sollte, wenn er bis zu seiner Entdeckung noch am Leben ist. Dem Einheimischen ist das Schöne ohnehin nicht zugänglich. "Das Alte ist verloren und das Neue hat kein eigenes Gesicht: Die Dinge stammen nicht von uns, es sind fremde Kinder, die wir nicht lieben." (S. 33)
"Die Praxis als Aufstand" nennt sich schließlich die Lebensform, die als einzige Chance bleibt. "Ich höre, wie man mir Provinzialismus vorwirft; ich halte entgegen: Das ist der Instinkt des Gebirgsbewohners." (S. 38)
Der Abgesang heißt "Noch einmal das Gebirge. Alles bei uns bestimmt das Gebirge." (S. 42)

Neben den Sachverhalten, die für das Publikum, das dem Referat beiwohnen sollte, eingestreut sind, ist es vor allem die Melancholie, die als Haupteindruck im Leser zurückbleibt. Da wird nichts geschönt oder patriotisch verbrämt, es ist die Traurigkeit, die von halb verwitweten Menschen und halb verwitterten Gerätschaften ausgeht.
Erzähltechnisch interessant sind die Variationen, die über den lateinischen Ur-Erzählungen herumgeflochten sind.
Christoph Zanon hat sich, so scheint es, als Lateinlehrer eine besonders schwere Schularbeit gestellt, die er zur Feier des Tages besonders luftig gelöst hat.

Helmuth Schönauer
7. August 2000

Link zur Druckansicht
Veranstaltungen
Junge LiteraturhausWerkstatt - online

Mi, 13.01.2021, 18.00–20.00 Uhr online-Schreibwerkstatt für 14- bis 20-Jährige Du schreibst und...

Grenzenlos? (Literaturedition Niederösterreich, 2020) - online

Do, 14.01.2021, 19.00 Uhr Buchpräsentation mit Lesungen Die Veranstaltung kann über den Live...

Ausstellung
Claudia Bitter – Die Sprache der Dinge

14.09.2020 bis 25.02.2021 Seit rund 15 Jahren ist die Autorin Claudia Bitter auch bildnerisch...

Tipp
LITERATUR FINDET STATT

Eigentlich hätte der jährlich erscheinende Katalog "DIE LITERATUR der österreichischen Kunst-,...

OUT NOW flugschrift Nr. 33 von GERHARD RÜHM

Die neue Ausgabe der flugschrift des in Wien geborenen Schriftstellers, Komponisten und bildenden...