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Otto Friedrich: Morgen ist Weltuntergang.

Berlin in den zwanziger Jahren.
Berlin: Nicolaische Verlagsbuchhandlung, 1998.
420 S., geb., m. Abb.; DM 49,80.
ISBN 3-87584-714-8.

In einer chronologisch aufgebauten Studie, die den Jahren von 1918 bis 1933 jeweils ein Kapitel widmet, beschreibt Otto Friedrich den Weg Berlins und der Weimarer Republik in den Faschismus. Friedrich, 1929 in Boston geboren und 1995 gestorben, ist kein Zeitzeuge, er schreibt aus der Perspektive eines in Berlin sozusagen retrospektiv Verliebten, der um das Untergegangene trauert. Die 1972 unter dem charakteristischen Titel "Before the Deluge" erschienene und in der Neuauflage sorgsam bearbeitete Arbeit erhebt keinerlei wissenschaftlichen Anspruch - Friedrich ist ein guter Erzähler, der eine spannende Geschichte mit zahlreichen Anekdoten würzt. Kapitulation, Revolution, Konterrevolution, Inflation, der allmähliche Aufstieg des Nationalsozialismus - Friedrich erzählt diese Geschichte nach Art eines Filmes mit zahlreichen "Schnitten", die "Gleichzeitigkeiten", etwa der des Kapp-Putsches und der Premiere des Filmes "Das Kabinett des Dr. Caligari" eine symbolische Bedeutung geben. Der Autor läßt sich kaum Zeit für eine Refelexion der Geschehnisse, dafür geschieht in seinem Text ständig Neues. Berlin, das ist ihm die Stadt, in der "alles möglich war", in der es "ständig neue Sensationen" gab.

Manche dieser Anekdoten sind unglaubwürdig. Der Bericht Ben Hechts etwa, daß sich Karl Liebknecht am Tag der Ausrufung der deutschen Republik im verlassenen Schlafzimmer des Kaisers Wilhelm bis auf die lange Unterhose ausgezogen ("Einige Knöpfe fehlten und das ausgebeulte Gesäßteil war vom vielen Waschen abgenutzt.") und sich ins kaiserliche Bett gelegt hätte, wobei ein zierlicher Nachttisch zu Bruch gegangen sei, was wieder die Revolutionsgarden in die Flucht geschlagen hätte, hat bis heute keinen Eingang in die Biographien Liebknechts gefunden. Entwertet wird das Buch auch dadurch, daß die Forschung in den fast dreißig Jahren seit seinem ersten Erscheinen ein nuancierteres Bild von Politik und Kultur in Berlin gezeichnet hat. Für die Geschichte der Berliner Psychoanalyse etwa sind die von Friedrich ausgewerteten Erinnerungen des ansonsten unbekannten Dr. Henry Lowenfeld eher irrelevant.

Das angenehm zu lesende Buch zeichnet insgesamt ein vertrautes Bild von Berlin. Der amerikanische Schriftsteller Christopher Isherwood ist mit seinen lakonischen Beschreibungen Berlins in den zwanziger Jahren berühmt geworden. Ein Teil eines seiner Romane wurde in ein Broadway-Stück verwandelt, unter dem Titel "I Am A Camera" verfilmt und lieferte, um einige Songs bereichert, die Vorlage des ebenfalls verfilmten Musicals "Cabaret". Nicht nur durch die Arbeiten Isherwoods gibt es einen speziellen Berlin-Mythos in der amerikanischen Literatur, der auch auf den deutschen Sprachraum zurückgewirkt hat und durch Friedrichs Buch neuerlich illustriert wird.

Alfred Pfabigan
10. Februar 1999

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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