1. Tagung: Anfang September 1947 im Haus von Ilse Schneider-Lengyel in Bannwaldsee bei Füssen im Allgäu
Ein bedeutungsvolles Treffen
Tagungen sind etwas Entsetzliches. Meistens wird so lange diskutiert, bis man sich überhaupt nicht mehr versteht, oder man ist so einig, daß man nicht weiß, weswegen man zusammengekommen ist. Ich bin daher gegen Tagungen. Trotzdem fuhr ich nach Bannwaldsee bei Füssen. Dort trafen sich etwa 15 Autoren der jungen Generation. Hans Werner Richter hatte sie eingeladen, und Frau Schneider-Lengyol nahm sie auf ihrem schön gelegenen Fischgut auf. Es waren bekannte und versprechende Namen unter den Geladenen. Walter Kolbenhoff, Hans Werner Richter, Dr. Walter M. Guggenheimer, Dr. Friedrich Minssen, Wolfgang Bächler und der Maler Wischnewsky aus München, Heinz Ulrich und Wolfdietrich Schnurre aus Berlin, Nicolaus Sombart aus Heidelberg, Heinz Friedrich aus Frankfurt und Frau Schneider-Lengyel.
Als sie zusammentrafen, wußte man sofort: Dies sind Leute, die von ihrer Zeit geprägt sind. Nicht nur in ihren Worten, sondern auch in ihrer Kleidung, in ihren Bewegungen und in der Art, die Dinge an sich herankommen zu lassen, trat das in Erscheinung.
Es blieb alles zwanglos und beweglich. Man fand schnell zueinander. Fast alle hatten früher im Ruf geschrieben. Das war ein Ausgangspunkt. Man war sich darüber klar, daß diese neue Zeit anders lebt und erlebt und deshalb anders schreiben muß, daß eine Umwertung einsetzen muß, um ohne Ressentiment dem Leben gerecht zu werden.
Diese Voraussetzung bietet nur Möglichkeiten, engt in nichts ein. Das wurde klar, als es zum Diskutieren kam. Es wurde hart diskutiert, aber vom Lebendigen und Produktiven her. Nichts endete in dialektischen Sackgassen. Hans Werner Richter leitete geschickt und lebendig die Gespräche und gab ihnen eine großzügige Lockerheit und Freudigkeit.
Ein wichtiger Diskussionspartner war in Dr. Walter M. Guggenheimer vertreten. Dann lasen Autoren aus ihren Arbeiten. (...)
Es muß noch gesagt werden, daß die beiden Tage und Nächte trotz der Vielgestalt der Gespräche und Lesungen Zeit ließen, Landschaft und Gastfreundschaft aufs Intensivste zu genießen.
Was ich mit all dem sagen will? Tagungen können doch etwas Gutes haben. Nämlich dann, wenn auf einer Basis viel Lebendiges sich vollzieht.
Maria Eibach (in: Die Epoche, Frankfurt/Main, 28.9.1997)