Die Enklave lag entschieden höher als die albanischen Siedlungen, die Luft war gut, und der Blick ging südwärts weit über die Prizren-Ebene hin zu den auch im Mai noch schneebedeckten Bergen, hinter denen Mazedonien begann und wo das ferne Blau schon Griechenland erahnen ließ. Der Rakija der Gegend war naturrein, und der einheimische Wein, der rote wie der weiße (ein "Rheinriesling") verdiente den Namen vino, während der monopolisierte, nur er war zu kaufen in den Läden, selbst den serbischen inzwischen, mit Verlaub in jeder Hinsicht ein Schwindelgeschäft war (ungerecht aber, zu meinen, zu dem Drang, das Gesöff sofort auszuspucken, trage schon bei das albanische Wort für "Wein", verë). Nein, die Dietmars hatten sich in Velika Hoča nicht etwa eingenistet; sich nicht in ein fremdes Nest gedrängt. Der Ort, eine Rampe für Augen und Ohren unter dem großen Himmel, diente den Heimatlosen, wenn nicht als Heimat, so als Zuflucht. Ohne dieses Velika Hoča, von dem eine Etymologie sagte, es bedeute "Viele Väter" – wären sie im Kosovo, oder überhaupt, noch jammervoller verloren gewesen.
(S. 90f)