kryosphäre
deine nachricht vom 19. 04. von 1:38 uhr gefunden. nur ein "ja." schönes gefühl.
die nachtschichten sind am härtesten, sagt man. deswegen werden sie auch am besten bezahlt. hier bei der bahn. ich finde die fahrten am tag unausstehlich. nachtzugbegleiter. die passagiere steigen ein. um 21:18 uhr in wien.
"tickets, reservierung und reisepass bitte", sage ich zu den fahrgästen. dann frage ich sie, wann sie geweckt werden wollen und dann, ob sie im zug frühstücken oder einen gutschein fürs bahnhofscafé in zürich wollen. zum schluss erkläre ich ihnen, dass und wie sie das abteil in der nacht von innen verschließen sollen.
"gute reise und gute nacht".
machmal sage ich auch "gute nacht und gute reise". wenn mir die gäste sympathisch sind, sage ich auch mal "schöne träume, wenn sie morgen früh aufwachen, sind sie am ziel ihrer träume!"
die letzten passagiere steigen um 23:11 uhr ein und dann habe ich meine ruhe. meistens. keine lästigen fragen, nur das rauschen der nacht. ich schiebe das fenster ganz auf. die kühle luft, die ich ins dienstabteil ziehen lasse, wenn ich alleine bin. meine kollegen mögen das nicht. ich aber mache diese arbeit deswegen. um den nachtwind im gesicht zu spüren, die nacht flüstern zu hören.
ich mag kälte. wenn ich weiß, wie lange sie dauert. eben im sommer, wenn es eigentlich warm ist, aber die zugluft kühl vorbeirauscht, oder wenn es nach einem sommergewitter abgekühlt hat. ich mag die kalten momente des sommers. dann, nach dem gewitter, wenn es etwas frischer ist, kann die wärme wieder beginnen, von einem besitz zu ergreifen, hauptpartikel für hauptpartikel, zelle für zelle zu erobern.
heute sind keine sympathischen gäste "an bord". es gefällt mir, so zu tun, als sei ich auf einem schiff. auf offener see. und ich sammle schiffbrüchige ein. weil mich nie jemand eingesammelt hat.
waisenkind.
23:10 uhr, gleich kommt der letzte halt, nur noch zwei fahrgäste werden zusteigen. ich schließe das fenster und begebe mich zur tür.
23:11 uhr. der zug hält.
© 2009 Skarabaeus, Innsbruck-Bozen-Wien.