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Leseprobe: Hilde Spiel - "Rückkehr nach Wien."

Im Tiefflug erkennen wir den Wienerwald, armseliges Hüggelland, da und dort dunkelgrüne Flecken im flimmrigen Grau. Die ersten Behausungen sind Holzhütten, hilflos vereinsamt inmitten gefrorener Bäche und Bäumen ohne Laub.
Ich entdecke Spuren, die Skiläufer über die Hänge gezogen haben. Auf solch milden Abfahrten habe ich einst den Schneepflug erlernt. Im Winter hatte die Landschaft immer eine rührende Monotonie, die melancholischen Wellenlinien des Mittelgebirges. In Bretterbuden wie diesen haben wir um einen alten Eisenofen gerastet, unser auftauendes Schwarzbrot gegessen und Skiwasser getrunken, eine rötliche Flüssigkeit mit gemischtem Zitronen- und Himbeergeschmack.
In diesem Augenblick wird mir klar, dass von nun ab jeder meiner Wege von Erinnerungen beschattet sein wird. Unvermeidlich werde ich meine Kindheit verklären – vielleicht die einzige fruchtbare Zwangsvorstellung unserer Zeit. In einem Buch über James Joyce las ich kürzlich, das Schreiben sei heute kein Schöpfungsakt, sondern ein Beschwörungsakt, gesättigt mit Reminiszenzen. Ich bin nicht gekommen, um mein früheres Leben zu beweinen. Ich kehre an meinen Ursprung zurück, entfremdet durch langes Fortsein, gestählt durch manchen Verlust und bereit für eine harte, vermutlich schmerzliche Erfahrung. Manchmal stehen wir im Traum unerwartet uns selbst gegenüber. Etwas von dem Schock solcher Konfrontationen liegt in der Begegnung mit der eigenen Vergangenheit. Wir landen. (S. 21)

Wir rattern über das Buckelpflaster, durch schwer zerstörte Straßen aus der Stadt hinaus zum Wörthersee. (...) Ich schäle mich eilig aus der Decke und kann eben mit meinem Koffer abspringen, bevor der Laster weiterfährt.
Villa Porsche.
(...) Wärme, Behaglichkeit, Lebensfreude, als die Tür sich öffnet (...). Der riesige grüne Kachelofen in der Halle wird vom Vorraum aus geschürt, mein Gepäck wird hinaufgetragen. Ich setze mich neben den Ofen, um aufzutauen. (...) Ich schließe die Augen, spüre im Rücken die heißen Kacheln und berühre mit den Fingerspitzen das gehobelte Holz meiner Bank. All das und der würzige Geruch der Holzscheiter im Kamin ist genug, um zwei Jahrzehnte auszulöschen: ich bin mit meinen Eltern auf Winterferien gefahren und sitze hier, während sie ihr Schlafzimmer beziehen, um dann zu unserem ersten gemeinsamen Landfrühstück herunterzukommen. Draußen warten der Schnee, die Sonne, der Berg, der See. Die Zeit ist noch freundlich. Und ich bin noch in ihr geborgen. (...) Ein Tag und eine Nacht in tiefem Frieden sind vorbei. Ich habe geruht, gegessen, geschlafen wie nie, seit ich vor zehn Jahren Österreich verließ. (...) Um die Mittagszeit zerreißt der Nebel, und ein goldenes Licht schimmert über den See. Auf dem anderen Ufer erscheint die vertraute Silhouette von Pörtschach. Ich gehe zum Bootshaus über harten, verharschten Schnee. Drüben liegen alle Sommer meiner Kindheit in einer unberührten Mulde der Zeit. Ich bin dankbar, dass der Nachmittag sinkt und alle Bewohner der Villa Porsche sich in der Halle zu einem Umtrunk versammeln, während man die Vorhänge mit dem Blumenmuster über meine Vergangenheit zieht. (S. 117 ff)

© 2009 Milena Verlag, Wien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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