Episoden und Intermezzi.
Salzburg: Verlag Anton Pustet, 2009.
198 Seiten; geb; Euro 19,50.
ISBN 978-3-702-50609-4.
"Bücher über weltbekannte, mit Salzburg verbundene Persönlichkeiten – von A (H.C. Artmann) bis Z (Stefan Zweig) – füllen Bibliotheken." Mit dieser (leicht übertriebenen) Sentenz eröffnen Peter Mittermayr und Hans Spatzenegger ihr Vorwort zu "Die Welt zu Gast in Salzburg". Was ihre Salzburgensie von den anderen in diesen Bibliotheken unterscheide, sei die Auffindung "manch neu entdeckter oder kaum bekannter Begebenheiten von prominenten Salzburg-Besuchern". 36 "Episoden und Intermezzi" aus dem Leben oder dem Werk von "unbestrittenen Ikonen der Literatur, der Physik, der Psychoanalyse" etc. sind hier versammelt. Und blickt man auf die Expertise der beiden Autoren, so hegt man keinen Zweifel, dass der Anspruch des Neuen hier eingelöst wird: Peter Mittermayr, bis 2003 als Leiter der Präsidialabteilung der Salzburger Landesregierung der höchste Beamte des Bundeslandes, gab etwa mit Adolf Haslinger das "Salzburger Kulturlexikon" heraus, Hans Spatzenegger, bis 2000 Ressortleiter "Kultur/Wissenschaft" im ORF-Landesstudio Salzburg, verantwortete mit Heinz Dopsch eine achtbändige Geschichte Salzburgs.
Rund die Hälfte der zwischen den Autoren aufgeteilten Beiträge betreffen Schriftsteller und Philosophen, darunter die – neben der Philosophin und 1998 heiliggesprochenen Ordensschwester Edith Stein – einzige Frau, Patricia Highsmith. Die zum Christentum konvertierte Jüdin Stein (1942 in Auschwitz ermordet) hielt 1930 in Salzburg einen Vortrag über das "Ethos der Frauenberufe"; was diese Episode für Hans Spatzenegger interessant macht, war ihre Ausnahmestellung als Frau innerhalb einer männlich dominierten Wissenschaftswelt und ihre selbstbewusste Widersetzlichkeit, wenn sie etwa, wie beim Salzburger Erzbischof, christlichen Antijudaismus entdeckte. Patricia Highsmith wiederum wurde aufgenommen, weil sie das letzte Kapitel ihres Romans "Ripley Under Ground" (1970) in Salzburg spielen lässt. Highsmith habe gründlich vor Ort recherchiert, was sich, so Peter Mittermayr, im Text in einer "bemerkenswerten Milieu- und Ortskenntnis" niederschlage. Die Durchmischung der Beiträge quer durch die Zeiten und Sparten trägt zur Unterhaltung bei, sympathisch ist die Tatsache, dass sich die beiden Autoren nicht auf die "Festspielstadt" beschränken, sondern ihre Spurensuche auf das Land Salzburg ausdehnen. So erfährt hier jeder Salzburg-Liebhaber und -Kenner, selbst ein eingefleischter Literaturtopograph tatsächlich viel Neues. Etwa, dass es die Langeweile während eines Sommerfrische-Aufenthalts im Pinzgauer Fuscher Tal war, die Robert Musil im Jahre 1900 zu einem wichtigen Erlebnis führte: Er verließ Fusch, um in Schladming Abwechslung zu finden, dort traf ihn "der Blitz der Liebe", wie er später schreiben wird. Eine plötzlich ihm notwendig erscheinende Flucht vor dem geliebten Wesen führte wiederum zum Erlebnis der Musil forthin prägenden "taghellen Mystik".
Man muss Hans Spatzenegger unumwunden Recht geben, wenn er schreibt, dass "die Allerwenigsten", also auch diejenigen, die von D. H. Lawrences Aufenthalt in Zell am See und dem Niederschlag dieser Sommerfrische in der Erzählung "The Captain's Doll" wissen, das Gedicht "Fish" kennen, in dem sich der Autor von "Lady Chatterley" vom sommerlichen Alpensee inspiriert zeigt. Schade – gerade bei solchen Trouvaillen –, dass die Autoren ihre literarische Spurensuche nicht in einem Literaturverzeichnis nachvollziehbar machen.
Wolfgang Straub
11. November 2009
Originalbeitrag
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