Aus den gesetzlosen Tagebüchern zweier Nestbeschmutzer
O: Montag, 24. April 2000: Nach dem Aufwachen mußte ich heute früh mit Entsetzen feststellen, daß ich mich im Schlaf angeschissen hatte. Mein Bett und ich sahen aus, als hätten wir es die ganze Nacht in einer überfüllten Jauchengrube getrieben. Die sofort sich einstellenden Scham- und Schuldgefühle wichen jedoch bald einem unbändigen Freudentanz, als ich mir klarmachte, daß sich mein Bett geographisch ja in Österreich befindet und ich insofern und quasi symbolisch doch auch auf dieses Land geschissen habe. Einem notorischen Nestbeschmutzer wie mir kann doch gar nichts Schöneres passieren, als nun auch schon sozusagen im Schlaf meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Beschließe, ab jetzt täglich vor dem Einschlafen Abführmittel einzunehmen, um diesem bislang einmaligen Protestakt ein wenig auf die Sprünge zu helfen ...
E: Dienstag, 25. April 2000: Werde heute nacht illegal über die Staatsgrenze klettern: und zwar über die Grenze Österreich/Grabsteinland beim Wiener Zentralfriedhof. Habe nämlich allmählich genug von den widerständischen Weicheiern, die Politikern nur cremige Torten ins Gesicht klatschen. Die sogenannte "Tortung" ist für unsereinen "resistance light" und also kontraproduktiv. Gestern kam mir die Idee einer sogenannten "Bratpfannung", also die gezielte Applikation einer Bratpfanne in eine Politikervisage, jedoch scheiterte mein geplanter Protestakt noch vor seiner Realisation am horrenden Preis einer tauglichen Edelstahlpfanne. Deshalb mein illegaler Grenzübertritt nach Grabsteinland: Beim Herumstreifen zwischen Marmor und Granit werde ich mir einen schmucken, nicht allzu voluminösen Grabstein für mein Vorhaben aussuchen. Ich denke, 14 starke Hände müßten ausreichen, um das sauschwere Teil hochzuheben und über die Grenze zu schmuggeln - dann steht einer sogenannten "Grabsteinung" nichts mehr im Wege. Das Problem, den Marmorblock unbemerkt an den Politiker heranzuschleppen, wird ein Schas sein gegen die Schadenfreude, die uns überkommen wird, wenn wir den Grabstein in sein Gesicht klatschen werden. Bosheit, dein Name sei Widerstand. (S. 37f.)
© 2000, Edition Selene, Wien.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.