Erlind suchte Fatima im Haus oder im Freien. An ihrem Blick merkte er, dass sie auf ihn gewartet hatte. Die aschgrauen Spuren ihrer Iris, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatten, wurden durch ihre Gegenwart wieder entfacht. Fatima verlieh dem Ort Kaninë Tiefe und Bedeutung. Sie war genau das, was er sich hier zu finden nebelhaft gewünscht hatte, als Doktor Kauri sagte, das Kinde brauche Luftveränderung und solle nach Kaninë fahren. Fatima war eine unverhofft glückliche Überraschung. Sie besaß eine endlose Milde dem Leben gegenüber. Sie gab ihm einen Vorgeschmack darauf, wie es sein würde, völlig gesund zu sein; gesund sein bedeutete für ihn nun, Fatima nicht mehr als äußeren Teil seiner selbst zu sehen, sondern sie im Innersten mit sich vereint zu wissen. In seinen Augen besaß sie tatsächlich die Fähigkeit, mit allem eins zu sein und also auch mit ihm. Er beobachtete sie, wenn sie sich mit der Hand durch die Haare fuhr, wenn sie sprach und ihr Mund sich bewegte, wenn sie etwas vom Boden aufhob, um es dadurch, dass sich dabei ihr Körper beugen musste, kostbar und einzigartig zu machen. Und er verbat es sich, die geringste ihrer Bewegungen zu stören, denn jede schien ihm ein Schritt dahin zu sein, sie schließlich berühren zu können.
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