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Leseprobe: Evelyn Grill - Das Antwerpener Testament.

Henriette Stanleys Begräbnis fand an einem Märztag bei strömendem Regen und heftigen Windböen statt, wie sie an der Seafront nichts Ungewöhnliches sind. Auf dem Friedhof, der sich über ein weites, baum- und strauchloses Feld erstreckte, von dem aus man einen Blick auf die Downs und auf das Meer hatte, das sich heute im Dunst verbarg, verlor sich beinahe das kleine Häuflein Trauernder, über deren Köpfen kreischende Möwen lärmten, ein Geräusch, das in Ulrich Breuer ein Unbehagen hervorrief.
Zwischen den grauen, teilweise bemoosten Grabplatten hatte er sich auf den schlammigen Wegen mit den übrigen Konduktteilnehmern an die ausgehobene Grube heran bewegt und wartete auf das Eintreffen des Sargs, des Pfarrers und der Ministranten. Er war mit seinen drei Kindern erst gestern aus Karlsruhe angereist, während Ann, seine Frau, schon zwei Wochen zuvor im Krankenhaus in Brighton dem Sterben ihrer Mutter beigewohnt hatte. Der arme Harry, wie er in der Familie genannt wurde, der in seinem abgetragenen Burberry vor Kälte zitterte und eine gestrickte, bunte Wollmütze tief in die Stirn gezogen hatte, stand neben ihm. Als Ulrich seinen Schirm auch über ihn halten wollte, rückte er weiter von ihm ab. Kümmere dich um meinen Bruder, hatte Ann ihn gebeten, man weiß nicht, wie er reagieren wird.
Alle, außer Harry, trugen langstielige, gelbe Rosen, Blumen, die die Verstorbene besonders geliebt hatte. Auch der Arzt, Dr. Crack, ein rotgesichtiger Ire, der die alte Dame die letzten Jahre betreut hatte, und einige ehemalige Schülerinnen der Verstorbenen, distinguierte Damen mit bläulich oder rosa gefärbten Löckchen und fein gepuderten Gesichtern, wollten ihrer einstigen Lehrerin das letzte Geleit geben; sie warteten in zweiter Reihe, steckten gelegentlich ihre Köpfe unter den Regenschirmen zusammen und flüsterten miteinander. Ulrich hatte sie im Laufe der Jahre alle kennengelernt, aber seit langem nicht mehr wiedergesehen. Natürlich erkannte er auch Molly, die Putzfrau der Verstorbenen, die sich wegen ihrer arthritischen Gelenke auf einen Stock stützte und in der freien Hand eine langstielige Teerose trug. Sie hatte Ann und ihn begrüßt und sich dann hinter die ältlichen Damen zurückgezogen. Betty Brown, eine enge Freundin seiner Frau aus Kinder- und Jugendtagen, war sogar aus Liverpool angereist.

(S. 9 )

© 2011 Residenz Verlag, St. Pölten-Salzburg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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