Wo ist jetzt meine heitere Gelassenheit geblieben? Hat sie sich nach dem fieberhaften Hin und Her, nach Suchen und Versuchen, nach vier-, fünfmaligem Danebengreifen und schleichendem Gelingen nur gut versteckt? Ich weiß es nicht.
Es gibt kein allmähliches Abscheiden von dieser Welt. Ich schaue auf den sich vor meinen Füßen breitenden See, dessen Wasser am Ufer von klarstem Blaugrün ist, auf die Wiesenwelle drüben auf der anderen Seite und die beschützenden Berge, die sich dahinter heben, und mir kommen die Tränen, weil das so schön ist, schön wie die leichten, wie angeflogenen, im Gegenlicht beinahe schwarzen Blätter auf dem Ast über mir – so schön.
An den Abenden höre ich die Klavierkonzerte von Beethoven und nicht, wie sonst so häufig, seine späten Quartette. Ich gebe mich ihrer Kraft hin, die keine Angst davor hat, ihre Gefühle mitzuteilen, Gefühle, die so unbewacht, unzensiert aus ihrer Tiefe kommen, dass einem jede Bezeichnung für sie fehlt. Ich höre sie wieder, wie ich sie damals als junges Mädchen zum ersten Mal gehört habe, als Hoffnung und als Versprechen, jetzt aber mit der zusätzlichen Erfahrung von Scheitern und Sich-Versagen, das dazwischen war. Ich höre sie wie eine Verkündung des Menschenmöglichen und weiß, dass ich von all dem bald auf immer abgetrennt werde. Dieses Wissen lässt das Gegenwärtige noch schöner leuchten und singen.
(S. 122f)
© 2012 Literaturverlag Droschl, Graz.