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Doris Knecht: Besser.

Roman.
Berlin: Rowohlt, 2013.
285 Seiten; geb.; 20,60 Euro.
ISBN: 978-3-87134-740-5.

Leseprobe

Autorin

Antonia Pollak, Doris Knechts neue Protagonistin, erinnert sich einmal an Benjamin Heisenbergs Film Der Räuber, dessen Hauptfigur „immerzu rennt“ (194). Dieses Rennen ist nötig, um nach den Banküberfällen schnell verschwinden zu können, drängt sich aber vielmehr noch als psychische Kompensationsleistung auf – sozusagen als ‚Davonlaufen vor dem eigenen Glück‘. In Antonias Erinnerung erscheint dieser Räuber als Idol, an dem sie vorrangig Figur und Muskeln faszinieren, doch eben auch diese „Persönlichkeit“, „sehr klar und sachlich und bei sich“ (194). Zitiert wird so die Vorstellung, dass das eigene Glück zwar gesucht, aber auch gemieden wird oder gar nicht klar ist, was denn dieses Glück eigentlich ist.

Besser wird jedenfalls nicht viel – zumindest nicht, wenn man den Titel von Doris Knechts neuem Roman als Versprechen einer moralischen ‚Besserung‘, als Suche nach einem gesellschaftskonformen Glück Antonias lesen will, die dauernd an ihre Lügen erinnert, ihre Vergangenheit verschweigt, zwei Leben führt. Genau mit dieser Erwartungshaltung spielt der Text: Als im Haus, in dem Antonia mit ihrem Mann Adam und ihren beiden Kindern wohnt, ein Mord passiert, wird die Idee der ‚inneren Wendung‘ anzitiert: Sie reflektiert über ihr Glück angesichts des Unglücks der anderen; es sei der „sogenannte heilsame Schock“ (255), der auch sie ereilt habe. Schuldgefühle drängen sich auf: „Dass ich das elementare Unglück von anderen brauchte, um in die Lage zu kommen, mein eigenes Glück nicht nur hinter dem Nebel meines Lebensbetruges zu wissen, sondern es zu sehen, als wäre der Himmel aufgerissen“ (255f.). Ein geradezu kathartischer Effekt wird damit zitiert, jedoch ist es nicht so einfach – mit dem Glück.

Wie Knechts erster Roman Gruber geht (2011) zeichnet sich Besser als Charakterstudie aus, die die Komplexität gesellschaftlicher Strukturen, individueller Lebensgeschichten und psychischer Abhängigkeiten beleuchtet – oft anhand scheinbar ganz banaler Themen. Knecht verwendet dabei gerne Wiederholungen, die den LeserInnen Antonias Beobachtungen und Reflexionen geradezu aufdrängen: „Eine Telefonnummer. Eine Telefonnummer mit zwei Dreien drin, einer Sechs und einer Neun, eine Nummer voller Glückszahlen, deinen Glückszahlen. Eine Glücksnummer. Du brauchst nur diese Nummer anzurufen, und dein Leben wird wieder richtig, dein Leben wird wieder in Ordnung sein für viele Jahre, wenn du nur diese Nummer wählst“ (273).

Der detektivische Spannungsbogen des Romans lebt aber vielmehr davon, was Knecht die Ich-Erzählerin nur andeuten oder gar verschweigen lässt: den vollen Namen des Liebhabers, die Identität des Mannes mit Bomberjacke oder überhaupt die Motivationsgründe für bestimmte Handlungen. Antonia erweist sich einerseits als zynisch-bissige Kritikerin der Wiener Snob- und Bobo-Szenen, ist andererseits jedoch nur bedingt in der Lage, die eigenen Abhängigkeiten von vergangenen Ereignissen und ihrem Ehemann zu überwinden. Als Signum der schmerzhaften Vergangenheit und der gegenwärtigen Lügen steht plakativ die Rede von einer Narbe, die den Liebhaber mit dem Bomberjacken-Mann verbindet und die auch als Metapher für die psychischen Probleme der Protagonistin zu verstehen ist.

Werden die teils wohl gezielt klischeehaften Reflexionen über Schicksal, Beziehungen und Elternliebe durch die vorgeführte Lebensrealität der Figur noch gebrochen, so verhält sich das mit dem schon angesprochenen Mord anders: Umgebracht wird nämlich Alenka, eine „katholische Polin“ (229) von ihrem Lebensgefährten Mirkan, der – folgt man den Andeutungen – Moslem ist. Warum gerade so ein politisch aufgeladenes und wiederholt auch instrumentalisiertes Narrativ verwendet werden muss, bleibt unklar. Problematisch sind zudem die damit einhergehenden, zu kurz geratenen Reflexionen über kulturell-religiöse Fragen, die sich in einigen Statements zur sogenannten ‚Kopftuchdebatte‘ (vgl. 229) und Kryptozitaten typisierender kultureller Zuschreibungen ergehen: Mirkans Beziehung mit Alenka, einer Frau mit „wilden, blonden Locken“, sei ihr – Antonia – als ausreichender Beweis dafür erschienen, „dass kulturelle oder religiöse Differenzen für ihn keine Rolle spielten. Dass er sie überwunden hatte. War wohl nicht so“ (230). Andere Gründe für den Mord werden nicht erörtert; die Zuschreibungen bleiben ungebrochen. Somit kann an diesem Beispiel auch eine Schwierigkeit des Romans verdeutlicht werden, wird doch viel kritisiert und über viel diskutiert, jedoch oft nur ganz oberflächlich.

Trotzdem ist Besser wie bereits Gruber geht ein Text, dessen Dramaturgie der psychischen Ergründung fesselt: Lebensentwürfe, Abgründe und Zukunftshoffnungen werden an Antonia Pollak vorgeführt, kritisiert und bestätigt. Dass die Rede von ‚etwas Besserem‘, von Glück dabei mit der Zitathaftigkeit von moralischen Vorstellungen und Gesellschaftsmodellen spielt, steuert produktiv einer Verklärung entgegen.

Marina Rauchenbacher
19. März 2013

Originalbeitrag
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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