Sind Personalberatungen wirklich unverzichtbar, oder gibt es innovativere Wege? Mit dem Start der Online-Stellenbörsen 1995 begann ein neues Zeitalter für Personalberatungen und Headhunter. Früher verließ man sich auf die Printmedien und nicht zuletzt auf ein persönliches Netzwerk. Heute nutzen sie vor allem Business Networks. Die Personalabteilungen werden aber selber immer aktiver im Web. Entwickelt sich Social Media vom Segen zum Fluch für Personalberater?
Online-Stellenanzeigen boten im Gegensatz zu sehr teuren Printanzeigen ein finanziell überschaubares Invest, das sich bei erfolgreicher Vermittlung vergolden lassen konnte. Als ich noch bei jobpilot arbeitete haben wir uns nicht selten darüber amüsiert, wenn Unternehmen und von Ihnen zusätzlich beauftragte Personalberatungen, am gleichen Tag, mit nahezu gleichem Text, eine nahezu identische Anzeige schalteten. Wieso so etwas von Erfolg gekrönt war? In der Regel lag die Kunst in der schnellen Aktion. Dank häufig träger Bewerbungsprozesse in den Unternehmen, konnten sich pfiffige Personalberater durch schnelle Aktion einen Vorteil verschaffen. Natürlich konnten die viele Personalberater auf ein eigenes Bewerbernetzwerk zugreifen, welches sie in oftmals langjähriger, mühsamer Arbeit aufgebaut hatten und Unternehmen in der Regel nicht besessen haben. In diesem Falle würde ich allerdings keine Stellenanzeige mehr bemühen, oder? Aber das Netzwerk ist halt ein Verkaufsargument und nicht zu hinterfragen.
Und es hat XING gemacht
Als das Hamburger Business Network seine virtuellen Pforten öffnete, brauchten Personalberatungen nicht so lange wie die Unternehmen, um zu begreifen, welches Paradies der fantastischen und kostenlosen Rekrutierungsmöglichkeiten sich da aufgetan hatte. Gab es denn so etwas? Eine Datenbank für Fach- und Führungskräfte die auch noch dafür bezahlten um sich dort eintragen zu lassen. Diese potentiellen Vermittlungskandidaten lieferten (und liefern) nicht nur die nötige berufliche Vita, sondern halten diese auch noch schön auf dem aktuellsten Stand. Und das beste daran: Man braucht sich nicht durch Telefonate an Zielpersonen heranarbeiten, man konnte nun einfach per Systen Kontakt aufnehmen. Und wenn die Person nicht wollte, dann konnte man ja immer noch anrufen. Den Namen und die Firma und der Zielperson hatte man ja. Man braucht nicht mehr um sich verbinden zu lassen.
Kommunikation ist Unternehmenssache!
Outsourcing ist seit Jahren ein großes Thema in den Unternehmen. Das gilt auch für Personalabteilungen. Was für die Payroll mehr als vernünftig ist, gilt aber noch lange nicht für die Kommunikation. Was vor wenigen Jahren undenkbar war, ist heute zum Standart geworden. Personalabteilungen treten, für alle sichtbar, als Sprachrohr des Unternehmens auf. Das Arbeitgeberimage, früher bisweilen versteckt hinter Produkten oder Dienstleistungen oder oft nur in die begrenzte Öffentlichkeit der Freundeskreise eigener Mitarbeiter getragen, steht heute im Mittelpunkt der Außendarstellung. Heute sollen alle wissen, welch guter Arbeitgeber man ist. Einigen fällt das Loslassen, der Schritt in die Extrovertiertheit und vor allem die gewünschte Offenheit schwer. Aber geht es heute noch ohne eigenes Blog, Facebook, Twitter, Business Networks und dem einen oder anderen – wenigstens Versuch – eines viral erfolgreichen Videos? Nein, nicht wirklich und auch wohl kaum erfolgreich. Ohne das, bleibt man, falls man nicht im glücklichen Besitz eines weltbekannten Markennamens ist, wohl eher eine konstante Unbekannte auf dem Feld der Arbeitgeber.
Personaldienstleister kosten Kommunikationspotential
Mit Suchaufträgen vergibt man auch, neben der Chance sein Netzwerk selbst zu erweitern, ins Gespräch zu kommen und eigene Nachrichten zu transportieren, weitere wesentliche Kommunikationsvorteile an Dritte. In den Kosten für eine Besetzung für externe Dienstleister die im unternehmensfremden Look and Feel auftreten und die Kommunikation an sich binden, dürften diese übrigens bei keinem Unternehmen in die Kostenrechnung mit einfließen. Ein Fehler oder nur eine marginale Größe? Eindeutig ein wichtiger Punkt. Neben dem Transport der eigenen Arbeitgeberwerte im eigenen Gewande, durch die Methode und Inhalte wie, und mit denen ich Zielgruppen anspreche, ist das Ziel in eine aktive Kommunikation zu kommen, die im besten Falle in einer Einstellung eines passenden Kandidaten endet, nicht gegeben. Und falls es nicht zur Einstellung kommt, dann sollte diese Person wenigstens das Netzwerk des Arbeitgebers erweitern, idealerweise dann in einem eigenen Kandidatenpool für eventuell spätere, passende Vakanzen Profil zeigen, und/oder wenigstens als gelegentlicher Übermittler meiner Nachrichten in den sozialen Medien auftreten und sich zum Multiplikator meiner Bemühungen machen.
Die Selbermacher
Die digitale Kommunikation hat die internen Strukturen und Aufgabengebiete verändert und wird dies in zunehmendem Maße tun. Wer erfolgreich sein möchte, kann nicht alles outsourcen. Nicht zuletzt, da eigene, loyale und zufriedene Mitarbeiter authentischer sind und Risiken durch Fehlverhalten eher minimiert werden können. Produktmarketing, Öffentlichkeits- und Personalarbeit werden immer weiter zusammenschmelzen. Die Kommunikation der Unternehmen wird immer professioneller und damit auch rationeller. Wenn schon Dritte kommunikative Dienstleistungen durchführen, dann im Gewand des Unternehmens und wenn möglich, mit den Werkzeugen desselben. Auch die Ergebnisse, in Form von Leads, Abschlüssen, Bewerbungen unsw. gehen komplett an das Unternehmen und nicht an den beauftragten Dienstleister.
Der Bereich des guten alten Research wird auch im digitalen Zeitalter immer wichtiger und wird zu einer festen Größe in den Unternehmen. Alleine die Besetzung einer offenen Position im Fachkräftebereich, durch einen Personalberater, kann schnell zwischen 15.000 und 25.000 Euro kosten. Da muss man kein Rechenkünstler sein, um sich klar zu machen, dass mit wenigen Besetzungen im Jahr, durch eigenen Research, eine Arbeitskraft für diesen Bereich gewinnbringend refinanziert werden kann. Hinzu kommt, dass gerade der Research oft ein unbeackertes Feld in den Bereichen Personalmarketing und Employer Branding ist. Hier haben die Unternehmen die Chance auch latente Kandidaten von einem positiven Arbeitgeberimage zu überzeugen, indem man durchdachte Ansprachen mit gezieltem Pampern der Zielpersonen verbindet. Das Rad muss da nicht neu erfunden werden, aber was im Vertrieb seit langem funktioniert ist in der Personalarbeit nicht weniger erfolgreich.
Personalberater müssen sich anpassen
Die zukünftige Entwicklung des Marktes verlangt von den Personaldienstleistern eine bisher nicht bekannte Flexibilität. Die Besetzungsaufträge werden zukünftig abnehmen. Das zeigen auch aktuelle Umfragen, wie mein Social-Media-Report, den wir in den nächsten Wochen veröffentlichen werden. Die Zukunft lässt aber Platz für Dienstleister, die sich als verlängerter Arm der Unternehmen sehen. Hier wird die Musik für die Personalberater aber eher auf dem Parkett des Research, also der Kandidatensuche, spielen. Das lukrative Feld der viralen Kampagnen haben längst die Agenturen übernommen und darin gehen oftmals klassische Stellenausschreibungen mit auf, indem diese aktiv beworben werden. Solche Inhouse-Dienstleister im Research funktionieren sehr gut und ich kenne erfolgreiche Symbiosen. Aber dieser Research wird dann nur in Ausnahmefällen im Namen der Personalberater erfolgen, dann z.B. wenn bestehende Mitarbeiter ersetzt werden sollen. Das bedeutet für Personalberatungen auch in diesem Bereich hinter den Arbeitgeber zu treten und sein Licht unter den Scheffel zu stellen.
Der Personalberater wird nicht verschwinden, aber die Relevanz des Namens eines Personalberaters im Arbeitsmarkt wird abnehmen. Viel wichtiger werden die Unternehmen selber. Social Media und die damit verbundene digitale Kommunikation kann zukünftig zum Fluch der Personalberatungen werden.
Do, Jan 5, 2012
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