Ein Gespräch

Interview

Im Gespräch:
Jochen Arlt und Rüdiger Fischer
 

Interview

Angenehme Pfade am Hang. Jochen Arlt im Gespräch mit dem Übersetzer und Lyrikverleger Rüdiger Fischer.

Von bislang rund 300 Autor/inn/en übertrug er zeitgenössische Gedichte vor allem aus dem Französischen. Hinzu kommen seit Mitte der 1980-er Jahre kaum zählbare Poeme aus dem Italienischen, Griechischen, Englischen. Selbstredend, dass der 69-jährige überdies deutsche Dichtkunst in steter Folge für französischsprachige Zeitschriften übersetzt.

Richtig. Die Rede kann nur von Rüdiger Fischer sein. "Maßgebend und beispiellos seine unermüdlichen wie idealistischen Anstrengungen fürs europäische Lyrik-Genre", urteilt der maßgebende zeitgenössische deutsche Lyrik-Chronist Axel Kutsch: "Seine Arbeit  dokumentiert die reale Umsetzung des anhaltenden Traums der Gemeinsamkeit Europas."

Dem nicht genug. 1991 rief Fischer, gebürtig in Trier und heute daheim im tiefsten Bayernland, den "Verlag Im Wald" ins Leben. Die Einmannwerkstatt kann gegenwärtig ein über 130 Buchtitel umfassendes Gesamtprogramm - durchweg Poeme in zwei- und mehrsprachigen Fassungen -  offerieren. Bis auf sieben Veröffentlichungen wurden alle übrigen VIW-Bücher vom Verleger gleichfalls übersetzt.

Ausreichend Gründe, Fakten für einen Gedankenaustausch von Jochen Arlt, Autor und Journalist, mit Rüdiger Fischer, Übersetzer und Verleger.

 

 

Arlt: Lieber Rüdiger Fischer, Sie mühen sich redlich um Ihr berufliches Fortkommen als Verleger zeitgenössischer Lyrik in mehrsprachigen Buchausgaben. Wie werden Ihnen jene Mühen honoriert vom Buchhandel oder aus dem Gedichte-Leser-Rund?

 

Fischer: Zuerst: es handelt sich überhaupt nicht um Mühen. Und von „beruflichem Fortkommen“ kann beim Verlegen von fremdsprachiger Lyrik auch nicht die Rede sein. Ich gönne mir ein großes Vergnügen und suche Leute, die das mit mir teilen wollen, und einige finde ich.

Dass kaum noch ein Buchhändler ein Lyrik-Regal hat, das den Namen verdient, ist wohl so bekannt, dass ich es nicht zu erwähnen brauche. Und dass nichts bis nicht viel geschieht (von Seiten der Schule, der Medien, der Kulturinstitutionen), um die Zahl der Lyrik-Leser stabil zu halten oder zu erhöhen, ist auch bekannt.

Seit jeher, dies wissen Sie wie ich, sind Lyriktitel höchst selten in den von Prosa dominierten Bestseller-Listen zu finden.

Deshalb mag ich ja auch keine Prosatitel verlegen. Ich will ja nicht machen, was schon Dutzende anderer besser können, sondern entdecken und bei all diesem Entdecken auch meine Linie finden, das, was mir gefällt, was mir Wichtiges zu sagen hat.

Was motiviert Sie immer wieder zu neuen lyrischen Gratwanderungen?

Ich spaziere nicht auf Graten herum, sondern gehe angenehme Pfade am Hang entlang, ziemlich nahe bei den Häusern im Tal. Das heißt: die Lyrik, die mir gefällt, ist nicht notwendigerweise avantgardistisch, intellektuell, modern, schwierig, hermetisch; das kann sie hin und wieder auch sein, aber vor allem soll sie intensiv, direkt, drängend, ergreifend und für Amateur-Leser wie mich brauchbar sein, die Lesen nicht als Vollzeit-Beruf betreiben oder ein Literaturstudium hinter sich haben (hab ich auch, aber ich hab nicht den Eindruck, daß mir das sehr behilflich war und ist).

Autor wie Verleger möchten mit ihren poetischen Texten den Lesern etwas vermitteln. Gibt es hier prinzipielle "Verlag Im Wald"-Ausrichtungen?

Versuchsweise: Schönheit soll etwas bewirken; zum Beispiel die Kraft geben, weiterzumachen mit dem, womit man etwas zur Veränderung der (eigenen Um-)Welt beizutragen glaubt. Es kommt darauf an, sich individuell angesprochen, ermuntert, erheitert zu fühlen. Wie bei guter Musik, wie vor einem schönen Bild.

Wie ist's übrigens grundsätzlich um die Zukunft des Buches bestellt?

Die Frage ist für mich ein paar Nummern zu groß. Ich persönlich hab keine Lust, Lyrik auf einem elektronischen Lesegerät zu konsumieren, und ich vermute, es gibt noch mehr solche Leute.

Sie befürchten folglich kein allmähliches Abbröckeln der durchaus klassisch zu nennenden Lesekultur durch iPad und verwandtes Elektronische?

Wer Lyrik mag, gehört zu einer so verschwindend geringen Minderheit, dass da gar nicht genug zum Abbröckeln ist. Die wird mindestens konstant bleiben. Und spätestens dann wachsen, wenn die derzeitige materielle und geistige Verfettung nicht mehr möglich ist; dass das bald der Fall sein wird, ist nicht unwahrscheinlich.

Es ist eine Lust, vom Stilistischen wie Inhaltlichen her, die von Ihnen aus dem Französischen übertragene und edierte Anthologie "La fête de la vie"/"Das Fest des Lebens" zu verinnerlichen. Das gilt ebenso beispielsweise für den seit 2011 in Ihrem Hause präsenten Gedichteauswahlband Stefaan van den Bremts. Die Übersetzung aus dem Niederländischen von "Stem uit het Laagland - Stimme aus dem tiefen Land" besorgte Maria Csollány. In diesem Einzeltitel als auch im erstgenannten Florilegium zeigen sich nahezu telepathisch europäische Gedankenbrücken. Worin nur wurzelt die anhaltende Distanz etwa beim deutschen Lyrikrezipienten zur Lektüre von Französischem oder Holländischem? Was übrigens Sie als Verleger ganz deutlich spüren dürften ...

Schon die Leser deutscher Lyrik sind wenige. Und verständlicherweise (jeder hat nur ein Leben) lesen noch viel weniger fremdsprachige Lyrik. Das beschränkt sich nicht auf französisch- oder niederländischsprachige Lyrik. Nicht nur „meine“ englisch-, italienisch-, etc.-sprachigen Titel zeigen das.

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