Fix Zone

In (der / die) Gesellschaft schreiben

Redaktion: 

Eine Initiative bei Anderlein17e.V.

Dresden politisch gestalten

 

Oft wird von neunmalklugen Kritikern gesellschaftliche Relevanz in der Literatur eingefordert. Viele Schriftsteller bleiben merkwürdig dickfellig gegen solche Ansprüche. Ihnen wird das gern als Desinteresse ausgelegt. Sie hingegen weisen jenen Anspruch mit dem Hinweis zurück, dass jede große Kunst jenseits der Meinung zu siedeln habe. Das ist allerdings in sich schon eine politische Haltung, denn der größte Teil der Kunst findet gerade im Mittelbereich zwischen dem nicht ganz Schlechten aber auch nicht gänzlich Außergewöhnlichen statt. Ein Künstler positioniert sich also deutlich zu seinen Mitmenschen, wenn er fraglos annimmt, dass seine Arbeiten die seiner Zeitgenossen fraglos überragen.

Es gibt weitere Gründe, sich einem allzu direkten politischen Anspruch zu entziehen: Wer politische Haltungen im Text explizit macht, ist regelmäßig mit eingeschliffenen Reflexen, Vorurteilen und Meinungen konfrontiert. Wer sich in diesem Irrgarten der Abwehr anderer Haltungen nicht verfangen will, kann versuchen, die in politischen Begrifflichkeiten oder Bildern abgespeicherten Vorurteilsstrukturen zu unterlaufen.

Auch muss der politische Autor damit rechnen, dass ein Lektor, Redakteur oder Herausgeber politische Meinungen hegt, die nicht den eigenen entsprechen. Das bedeutet statistisch, dass sich jene Texte politischen Inhalts in der Öffentlichkeit am weitesten verbreiten, deren Haltung sich mit den gängisten Ansichten deckt. Die Wirkungsabsicht hat hier die Tendenz zur Redundanz.

Gesellschafliche Wirkung wird ein Text also nicht auf dem sprachlichen Spielfeld erlangen, auf dem sich die Leitartikler der Zeitungen tummeln.

Eher dort, wo er sich kleine Verschiebungen der Bilder (von Menschen), der konzeptuellen Rahmung der geschilderten Sachverhalte, manchmal der Personalpronom (dieser Text ist, wenn auch nur aus sprachlicher Bequemlichkeit, z.B. aus männlicher Perspektive geschrieben) oder im Bezug auf Traditionen zu Nutze macht.

Dazu muss der Text auf der Oberfläche letztlich gar keine Signaturen des Politischen tragen. So konnten etwa Naturgedichte (im 3. Reich) oder Interieurbeschreibungen (in der DDR) zum Politikum werden, insofern sie die Spähre des politischen ostentativ ausschlugen. Auch möglich ist, dass ein Text eine allegorische Folie bereit stellt, in der sich politische Verhältnisse spiegeln (lassen).

Und auch das ist möglich: Ein an der Oberfläche ideologischer Text (etwa ein Naziode Weinhebers oder eine Stalinballade Bechers) unterläuft gewollt oder ungewollt die Intentionen der Textoberfläche so sehr, dass sie gerade darum von Opositionellen gern konsultiert wird.

Je nach Interessenlage der Teilnehmer versuchen wir nach Möglichkeit anhand der (mitgebrachten oder entstehender) Texte der Teilnehmer diesen Phänomenen nachzuspüren.

Ergebnisse des Workshops können (verbesserte?) Texte der TeilnehmerInnen ebenso sein, wie neue Haltungen, Erfahrungen und Befunde in Bezug auf (Text im Verhältnis zur) Gesellschaft. Auf einer Präsentation wollen wir am 31. August im Riesa efau Einblick in die Ergebnisse unseres Workshops geben.

Workshopleiter:

Bertram Reinecke: geb. 1974 in Mecklenburg, lebt in Leipzig. Er verfasste 5 Lyrikbände, zuletzt: „Nur gries getupfte Reste von Gesängen“ Aphaia, München 2017. (Sein Band „Sleutel voor de hoogduitsche Spraakkunst“ wurde auf die Liste der Gedichtbücher des Jahres 2012 gekürt.) sowie den Essayband „Schreibgruppengerede“. Darüber hinaus erschienen Kritiken und Essays zur Literatur in Zeitschriften und in Anthologien, Erzählungen, Übersetzungen und Libretti für Werke der zeitgenössischen Musik.

Er war mehrfach Gastprofessor am Deutschen Literaturinstitut und betreibt den Verlag Reinecke & Voß.

Teilnehmer:

Wer sein Schreiben mit Bezug auf eine Wirkung auf die Gesellschaft befragen möchte, ist mit seinen Texten auch dann willkommen, wenn sie nicht unmittelbar politischen Inhalts sind. Unsere Fragestellungen lassen sich an Tagebuchnotizen, Erlebnisgedichten, Slamtexten genauso diskutieren wie an Erzählprosa, Aufrufen oder gesellschaftkritischen Essays. Sollte bei den TeilnehmerInnen der Wunsch bestehen, längere eigene Texte (in Ausschnitten bis 12000 Zeichen) zu diskutieren, bitte ich, diese Ausschnitte so bald wie möglich , spätestens jedoch bis Sonntag den 18. August an eine nach der Anmeldung bekanntgegebene Mailadresse zu senden. (Texte von ein bis zwei Seiten können auch einfach zum Workshop mitgebracht werden.) Teilnehmer, die keine eigenen Texte besprechen, sondern nur mitdiskutieren wollen, können unter Umständen je nach Bewerbungslage ebenfalls berücksichtigt werden. Die Teilnehmerzahl ist auf 8 Personen begrenzt.

Zeitplan:

jeweils 28., 29. und 30.8. von 17 bis 20 Uhr (bitte noch Zeit für private Arbeits- oder Vorbereitungszeit einplanen) Samstag: Präsentation des Textes zur Wekstattschau.

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