Was lesen Sie gerade?
Bruno Preisendörfer: ›Als Deutschland noch nicht Deutschland war. Eine Reise in die Goethezeit‹. In meiner Freizeit habe ich eine gewisse Tendenz zum Sachbuch. Dieses hier ist besonders, weil es eine Perspektive auf die Goethezeit einnimmt, die weder in der Germanistik noch in der Geschichtswissenschaft so ohne Weiteres eingenommen werden könnte. Preisendörfer schaut sich die Texte der deutschen Klassiker unter dem Gesichtspunkt an, was sie über das alltägliche Leben um 1800 verraten. Wie mit einer Zeitmaschine reist der Leser in eine Zeit, deren Denken uns sehr nah ist und deren Alltagsleben sehr fern.
Papier oder E-Reader?
Papier. Gedruckte Bücher sind einfach das Beste. Was ich aber toll finde, sind die Internet-Ressourcen, die mir erlauben, Bücher, für die ich in gedruckter Form in den Rara-Lesesaal einer Bibliothek gehen müsste, also alte Bücher etwa aus dem 16. und 17. Jahrhundert, digital herunterzuladen und bequem auf dem Bildschirm zu lesen. Eine solche Ressource ist das Zentralverzeichnis digitaler Drucke (zvdd.de).
Das letzte Buch, das Sie nicht bis zum Ende gelesen haben?
›Der blaue Kammerherr‹ von Wolf von Niebelschütz. Das ist ein ganz toller phantastischer Roman aus den 1950er Jahren, der in einer gleichzeitig mythischen und rokokohaften Mittelmeerwelt spielt. Toll daran ist auch der manierierte Stil, in dem der Text geschrieben ist. Nur bin ich leider abends im Bett beim Lesen immer eingeschlafen, weil ich mich nicht auf diese recht anspruchsvolle Schreibe konzentrieren konnte.
Das letzte Buch, das Sie zum Lachen gebracht hat?
Ob es das letzte war, weiß ich nicht mehr, aber Wolf Haas’ Brenner-Romane bringen mich sehr zum Lachen. Und außerdem erfreuen sie mein Literaturwissenschaftler-Herz, weil sie erzähltechnisch und stilistisch so raffiniert gemacht sind.
Das letzte Buch, das Sie zum Weinen gebracht hat?
Jon Krakauer: ›In eisige Höhen‹. Das Buch handelt von der Katastrophe am Mount Everest 1996, bei der in einem Unwetter sehr viele Bergsteiger ums Leben kamen. Die Passagen, in denen davon erzählt wird, wie der Leiter der Expedition am Südgipfel des Mount Everest sitzt, weiß, dass er es nicht mehr herunterschaffen wird und mit dem Funktelefon ein letztes Mal mit seiner Frau telefoniert, haben mich zum Weinen gebracht.
Ihre liebste Romanfigur?
Ich glaube, eine liebste Romanfigur habe ich nicht, sie sind mir alle gleich lieb. Wenn ich aber gezwungen wäre, diese Frage zu beantworten, dann würde ich sagen: das alter ego von Albert Vigoleis Thelen in seinem autofiktionalen Roman ›Die Insel des zweiten Gesichts‹. Das ist wirklich ein Schelm, über den ich mich auf hunderten von Seiten amüsieren kann.
Welches Buch empfehlen Sie für einen Städtetrip nach Prag?
Für einen Städtetrip nach Prag empfehle ich Leo Perutz’ ›Nachts unter der steinernen Brücke‹. Der Roman beschwört das Bild des »alten« Prag um 1600 herauf, das, so die Vorstellung, in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts unwiderruflich untergegangen ist. Allerdings ist in diesem Text die »Welthaltigkeit« nur die eine Seite – außerdem ist der Text ein raffiniert konstruiertes Erzählexperiment.
Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – haben Sie eins?
Schämen nicht, aber ein etwas ambivalentes Verhältnis habe ich zum ›Song of Ice and Fire‹ von George R. R. Martin. Ich habe über ein Jahr in meiner Freizeit ausschließlich die fünf bisher im Rahmen dieser Saga erschienenen Romane gelesen, und ich bin persönlich ein Fan, aber über die literarische Qualität bin ich mir ganz unsicher – ist das Trash, oder ist es erzähltechnisch sehr clever gemachte Fantasy-Literatur? Vielleicht doch eher Letzteres…
Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur Sie fanden es doof?
Ich weiß nicht, ob alle Welt es liebte, aber Herta Müllers ›Atemschaukel‹ war für mich kein großes Lesevergnügen. Ich kann mir schon vorstellen, warum die Autorin für Bücher wie dieses, in dem auf beklemmende Weise über die Erfahrung von Hunger und Elend in einem Internierungslager berichtet wird, den Nobelpreis erhalten hat, aber ich habe es einfach nicht gemocht.
Welches Buch sollte Ihrer Meinung nach jeder gelesen haben?
Als Freund der frühen Neuzeit würde ich sagen, dass jeder die beiden großen Texte gelesen haben sollte, die – etwas vereinfacht gesagt – am Beginn der Geschichte des modernen europäischen beziehungsweise deutschen Romans stehen: Miguel de Cervantes’ ›Don Quijote‹ und Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausens ›Simplicissimus Teutsch‹. Und Letzteren sollte man unbedingt in einer Ausgabe lesen, die den Originaltext des 17. Jahrhunderts bietet, etwa die Ausgabe von Dieter Breuer, die im Deutschen Klassiker Verlag erschienen ist.
Welches Buch haben Sie nie gelesen und wünschten, Sie hätten es?
Thomas Manns Josephsromane. Ich habe sonst alles von Mann gelesen, und er ist so etwas wie mein Lieblingsautor. Aber an dieses umfangreiche Hauptwerk habe ich mich bisher nicht herangetraut. Ich stelle mir immer vor, dass ich auf das Erscheinen des Werks im Rahmen der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe warte, und dann lege ich los!
Zu welchem Buch kehren Sie immer wieder zurück?
Zu meinen beiden Büchern über imaginierte Bibliotheken in der frühen Neuzeit und über die Ideengeschichte der Ruhms in der Moderne kehre ich immer wieder zurück, denn darin steht fast alles, was ich über Literaturgeschichte weiß.
Bruno Preisendörfer: ›Als Deutschland noch nicht Deutschland war. Eine Reise in die Goethezeit‹. In meiner Freizeit habe ich eine gewisse Tendenz zum Sachbuch. Dieses hier ist besonders, weil es eine Perspektive auf die Goethezeit einnimmt, die weder in der Germanistik noch in der Geschichtswissenschaft so ohne Weiteres eingenommen werden könnte. Preisendörfer schaut sich die Texte der deutschen Klassiker unter dem Gesichtspunkt an, was sie über das alltägliche Leben um 1800 verraten. Wie mit einer Zeitmaschine reist der Leser in eine Zeit, deren Denken uns sehr nah ist und deren Alltagsleben sehr fern.
Papier oder E-Reader?
Papier. Gedruckte Bücher sind einfach das Beste. Was ich aber toll finde, sind die Internet-Ressourcen, die mir erlauben, Bücher, für die ich in gedruckter Form in den Rara-Lesesaal einer Bibliothek gehen müsste, also alte Bücher etwa aus dem 16. und 17. Jahrhundert, digital herunterzuladen und bequem auf dem Bildschirm zu lesen. Eine solche Ressource ist das Zentralverzeichnis digitaler Drucke (zvdd.de).
Das letzte Buch, das Sie nicht bis zum Ende gelesen haben?
›Der blaue Kammerherr‹ von Wolf von Niebelschütz. Das ist ein ganz toller phantastischer Roman aus den 1950er Jahren, der in einer gleichzeitig mythischen und rokokohaften Mittelmeerwelt spielt. Toll daran ist auch der manierierte Stil, in dem der Text geschrieben ist. Nur bin ich leider abends im Bett beim Lesen immer eingeschlafen, weil ich mich nicht auf diese recht anspruchsvolle Schreibe konzentrieren konnte.
Das letzte Buch, das Sie zum Lachen gebracht hat?
Ob es das letzte war, weiß ich nicht mehr, aber Wolf Haas’ Brenner-Romane bringen mich sehr zum Lachen. Und außerdem erfreuen sie mein Literaturwissenschaftler-Herz, weil sie erzähltechnisch und stilistisch so raffiniert gemacht sind.
Das letzte Buch, das Sie zum Weinen gebracht hat?
Jon Krakauer: ›In eisige Höhen‹. Das Buch handelt von der Katastrophe am Mount Everest 1996, bei der in einem Unwetter sehr viele Bergsteiger ums Leben kamen. Die Passagen, in denen davon erzählt wird, wie der Leiter der Expedition am Südgipfel des Mount Everest sitzt, weiß, dass er es nicht mehr herunterschaffen wird und mit dem Funktelefon ein letztes Mal mit seiner Frau telefoniert, haben mich zum Weinen gebracht.
Ihre liebste Romanfigur?
Ich glaube, eine liebste Romanfigur habe ich nicht, sie sind mir alle gleich lieb. Wenn ich aber gezwungen wäre, diese Frage zu beantworten, dann würde ich sagen: das alter ego von Albert Vigoleis Thelen in seinem autofiktionalen Roman ›Die Insel des zweiten Gesichts‹. Das ist wirklich ein Schelm, über den ich mich auf hunderten von Seiten amüsieren kann.
Welches Buch empfehlen Sie für einen Städtetrip nach Prag?
Für einen Städtetrip nach Prag empfehle ich Leo Perutz’ ›Nachts unter der steinernen Brücke‹. Der Roman beschwört das Bild des »alten« Prag um 1600 herauf, das, so die Vorstellung, in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts unwiderruflich untergegangen ist. Allerdings ist in diesem Text die »Welthaltigkeit« nur die eine Seite – außerdem ist der Text ein raffiniert konstruiertes Erzählexperiment.
Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – haben Sie eins?
Schämen nicht, aber ein etwas ambivalentes Verhältnis habe ich zum ›Song of Ice and Fire‹ von George R. R. Martin. Ich habe über ein Jahr in meiner Freizeit ausschließlich die fünf bisher im Rahmen dieser Saga erschienenen Romane gelesen, und ich bin persönlich ein Fan, aber über die literarische Qualität bin ich mir ganz unsicher – ist das Trash, oder ist es erzähltechnisch sehr clever gemachte Fantasy-Literatur? Vielleicht doch eher Letzteres…
Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur Sie fanden es doof?
Ich weiß nicht, ob alle Welt es liebte, aber Herta Müllers ›Atemschaukel‹ war für mich kein großes Lesevergnügen. Ich kann mir schon vorstellen, warum die Autorin für Bücher wie dieses, in dem auf beklemmende Weise über die Erfahrung von Hunger und Elend in einem Internierungslager berichtet wird, den Nobelpreis erhalten hat, aber ich habe es einfach nicht gemocht.
Welches Buch sollte Ihrer Meinung nach jeder gelesen haben?
Als Freund der frühen Neuzeit würde ich sagen, dass jeder die beiden großen Texte gelesen haben sollte, die – etwas vereinfacht gesagt – am Beginn der Geschichte des modernen europäischen beziehungsweise deutschen Romans stehen: Miguel de Cervantes’ ›Don Quijote‹ und Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausens ›Simplicissimus Teutsch‹. Und Letzteren sollte man unbedingt in einer Ausgabe lesen, die den Originaltext des 17. Jahrhunderts bietet, etwa die Ausgabe von Dieter Breuer, die im Deutschen Klassiker Verlag erschienen ist.
Welches Buch haben Sie nie gelesen und wünschten, Sie hätten es?
Thomas Manns Josephsromane. Ich habe sonst alles von Mann gelesen, und er ist so etwas wie mein Lieblingsautor. Aber an dieses umfangreiche Hauptwerk habe ich mich bisher nicht herangetraut. Ich stelle mir immer vor, dass ich auf das Erscheinen des Werks im Rahmen der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe warte, und dann lege ich los!
Zu welchem Buch kehren Sie immer wieder zurück?
Zu meinen beiden Büchern über imaginierte Bibliotheken in der frühen Neuzeit und über die Ideengeschichte der Ruhms in der Moderne kehre ich immer wieder zurück, denn darin steht fast alles, was ich über Literaturgeschichte weiß.