Dass vieles bei der Arbeitsagentur nicht so ganz rund läuft ist hinlänglich bekannt. Dass die Mitarbeiter der Arbeitsagentur oft überfordert sind, mag in vielen Fällen als Entschuldigung dienen. Eine ganz neue Dimension der Unzulänglichkeit der Institution „Arbeitsagentur“ entdeckte ich vergangene Woche: die schlichte Ignoranz, wenn es um WiederkehrerInnen geht.
Eine Kundin in der Karriereberatung – nennen wir sie Frau Müller – erzählte so nebenbei von ihrer Enttäuschung über ihren Arbeitslosengeld-Bescheid. Nur 811 Euro sollte es geben. Frau Müller hatte mit Antritt der Elternzeit wie so viele andere ihren Job verloren. Während der Elternzeit bekam sie Erziehungsgeld. Nach Ende der Elternzeit sucht Frau Müller nun einen Job und hat zunächst einmal einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt. Dieser fiel eben entsprechend bescheiden aus. Bei einem vorherigen Verdienst weit über der Bemessungsgrenze erstaunlich wenig.
Die Grundlage für diese Vorgehen – Bemessung von Arbeitslosengeld aufgrund einer Einstufung und NICHT nach der sonst gültigen Regel 60 oder 67 Prozent des letzten Gehalts – bildet § 133 Absatz 4 SGB III. Danach darf die Arbeitsagentur ArbeitslosengeldemfängerInnen gemäß Ihrer Qualifikation einstufen: Mit Hochschulstudium gibt es am meisten Geld, als ungelernte Kraft am wenigsten. Nun war Frau Müller viele Jahre Führungskraft, hatte weit überdurchschnittlich verdient – aber nur die Fachhochschulreife. Kann man sie wirklich auf das Niveau eines Ungelernten stellen? Ist es überhaupt zulässig, Menschen nach der Elternzeit/Erziehungszeit auf so einer Basis einzuschätzen? Müsste nicht vielmehr der Lebenslauf und die letzte Stelle Entscheidungs- und Bemessungsgrundlage sein?
Begründet wurde die Einstufung überhaupt nicht. Die Arbeitsagentur hatte auch keine Qualifikationen abgefragt, sie kannte den Lebenslauf von Frau Müller gar nicht. Dies legt die Vermutung nahe, dass oft einfach so und aufs Blaue hinein eingestuft wird. Nach der Recherche weiß ich: Dieser Fall ist kein Einzelfall und fast immer sind die "Opfer" Frauen, denn noch sind es nur eine Handvoll Männer, die zeitweise aus dem Job aussteigen und dann wiederkehren – um gar nicht so selten danach erst einmal arbeitslos zu sein.
Nun ist gegen dieses Vorgehen von einer Dame in Berlin geklagt wurden – und sie bekam Recht (Az.: Sozialgericht Berlin S 77 AL 961/06 ). Darüber hinaus liegt ein Urteil der Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG, 1 BvL 10/01 vom 28.3.2006, Absatz-Nr. (1 – 65)) vor, das diese Praxis verbietet. Was die Arbeitsagentur im Falle von Frau Müller beschieden hat, ist damit offenbar rechtswidrig.
Es bleibt Frau Müllers Entscheidung, Widerspruch gegen den Bescheid einzulegen. Man darf sehr gespannt sein, was daraus wird. Gibt es keine Einigung mit der örtlichen Arbeitsagentur kann sie das Ganze vor das – bekanntermaßen stark beanspruchte und terminlich schwer ausgelastete – Sozialgericht zu bringen. Wann Frau Müller dann das ihr zustehende Geld sehen würde, ist ungewiß.
Frauen und Männer sollten ihren Arbeitslosengeldbescheid nach der Erziehungszeit also ganz genau prüfen und nicht akzeptieren, wenn dieser zu niedrig ausfällt (weniger als 60 bzw. 67 Prozent des Einkommens) und sie gegenüber einem Arbeitslosen benachteiligt, der keine Erziehungs-/Elternzeit wahrgenommen hat.
Sabine Korndörfer