Gerade war ich vier Tage in München – und bin auf dem Weg hin und zurück ziemlich viel Taxi gefahren. Aus unerfindlichem Grund setzte ich mich jedes Mal in die Wagen äußerst redefreudiger Fahrer.
Altona-Hamburg Flughafen: Taxifahrer Nummer eins erzählte mir von seinem Arbeitsleben in Norwegen als Ehemann einer Business-Frau. Dieses Land scheint eine Art Paradies für alle zu sein, die es langsam angehen lassen möchten. Acht Stunden maximal und keinerlei Stress. "Jeder so wie er kann" brachte er mir auf Norwegisch bei, dies sei der Lieblingsspruch der Norweger, offensichtlich auch die Devise in Teamtrainings - leider habe ich die Übersetzung wieder vergessen. Langsame und weniger Engagierte seien voll akzeptiert. Anscheinend ist es auch leicht, dort mit Taxihintergrund Karriere zu machen, denn mein Taxifahrer muss es bei einem staatlichen Unternehmen bis zur Position des Werbeleiters geschafft haben.
Flughafen München – Bogenhausen: Taxifahrer Nummer zwei kam aus Ungarn und sprach in einer Mischung aus bayrischem und ungarischen Dialekt. Er hat eine ungewöhnliche Work-Life-Balance-Kombination: 14 Tage an einem See in Ungarn mit Frau und Kind und 14 Tage in München – dann aber 16 Stunden Taxi am Tag (ich fragte lieber nicht, wie lange er an diesem Abend schon im Auto säße). Das gebe ordentlich Geld und sei mehr als genug zum Leben. Alle meine Vorurteile über den Intellekt von Taxifahrern waren weg, als er mir die Literatur zeigte, die er in den Leerlaufzeiten so las: Heinrich Heine oder Max Frisch. Vor allem aber überzeugte er mich von dem ungarischen Autor Sandor Marai. "Die Glut" habe ich gerade bestellte.
Behaupte also noch mal jemand, Taxifahrer hätten keine interessanten (Berufs-)Leben. Ist doch irgendwie ideal: ganz unterschiedliche Leute kennenlernen, zwischendurch lesen, kein Chef vor der Nase. Im nächsten Leben werde ich Taxifahrerin.