Ja, ich weiß, allein wegen dieser Zeile werden jetzt mehr von Ihnen in meinen Blog klicken als sonst. Das ist natürlich gewollt. Aber ich musste Sie raffiniert in die Lese-Falle locken, nachdem ich heute etwa die 110. Presseanfrage bekommen habe zum Thema „Papa allein zuhause“ und etwas klarstellen will. Denn in diesen Anfragen schwingt immer ein Klischeedenken mit. Eine unausgesprochene Unterstellung.
Diese lautet: Der Mann, dessen Frau nicht nur arbeitet, sondern auch noch Geld verdient, muss entweder ein Freak sein oder ein Karriere-Looser sein. Männer, deren Frauen Einkünfte über dem Hartz IV-Satz haben (Klischee 1 = Frau verdient oft Geld, was nicht für beide reicht) und die nicht gerade Fotografen oder Künstler sind (Klischee 2 = Männer, die zuhause bleiben sind Weicheier) müssen zumindest seelische Schäden vom Kinderhüten davontragen. Es folgen weitere Klischees:
Nr. 3 = Der Mann, dessen Frau mehr Geld verdient, ist abhängig, was ihn unzufrieden und krank macht.
Nr. 4 = Das hat Auswirkungen auf die Familie und führt zu Krisen.
Klarstellen möchte ich: Welch ein Blödsinn! Genau wie es Frauen gibt, die kein Problem damit haben, eine Zeitlang vom Geld des Mannes zu leben, gibt es Männer, für die das ebenso ist. Es gibt Männer mit starkem beruflichen Ehrgeiz und Frauen, die im Job vorankommen wollen.
Manche Männer haben aber auch einen Familiensinn, der soweit geht, dass die Familie Priorität hat – vor dem Job. Ich denke, dass diese Männer früher die Arbeit als Mittel zum Zweck gesehen haben – und der Zweck war damals schon bei einigen die Familie. Erst durch die jüngeren gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Veränderungen, siehe auch mein Karrieremacherbuch, trauen sich diese Männer in andere Lebensformen – so wie umgekehrt die Frauen. Den Wert „Familie“ im Reiss-Profil – der besagt, das das Erziehen von Kindern eine wichtige Priorität besitzt – haben in meiner Praxis genauso viele Männer „grün“ (also ausgeprägt) wie Frauen.
Und umgekehrt: Einen niedrigen Wert bei „Familie“ können auch Frauen haben. Das heißt nicht, dass diese Frauen ihre Kinder nicht lieben. Das heißt lediglich, dass die Fürsorge und Erziehung nicht im Mittelpunkt ihres Lebens steht. Ein männlicher Partner mit Familie „grün“ wird eher bereit sein, zuhause zu bleiben. Wenn gewisse andere Faktoren dazu kommen, ohne das Gefühl von Abhängigkeit – und ganz ohne seelische Schäden. Und körperliche sowieso.