„Darf ich einen arbeitslosen Bekannten bei Xing freischalten?“ fragte mich neulich ein Vortragsteilnehmer (schon getwittert). Gestern las ich dann in der FTD einen Leserbrief, in dem jemand fragte, wie er mit der Kontaktanfrage eines ungeliebten Kollegen umgehen soll. „Ich hasse Teams“ lässt grüßen – bitte unser Buch mal lesen Das Thema begegnet einem überall: Gestern bloggte ich darüber, dass Freunde über den Erfolg im Beruf entscheiden.
Tatsächlich färben Netzwerke auf einen ab. Jemand der lauter jobsuchende Absolventen um sich versammelt hat und das bei Xing, Facebook oder sonstwo zeigt, wirkt auf andere weniger interessant, attraktiv oder auch „wertvoll“ als ein gut quer-vernetzter Mensch (jemand, der Professoren, Exoerten und Personalentscheider kennt bzw. zu kennen scheint). Dabei kann man von der Wirkung kaum auf das wirkliche Kontaktverhalten schließen. Ich habe Leute mit drei Xing-Kontakten getroffen, die bestens verdrahtet waren – aber keinen Wert darauf legten, dies zu zeigen.
Das Internet verzerrt das Bild. Es entsteht der Eindruck, dass…. Jemand gut vernetzt ist, bekannte oder hochstehende Persönlichkeiten kennt. Aber ein Beweis ist das noch lange nicht. Der Ex-Bayer Leverkusen Manager Rainer Calmund – oder vielmehr: wahrscheinlich seine Marketer – tauchten vor einiger Zeit bei Xing auf und vernetzten sich “strategisch”. Das machen auch andere so: Interessant ist, wer wichtig scheint. Es ist deshalb nicht so entscheidend, wen man DE FACTO kennt, sondern entscheidender, wer einen wichtig findet und dann anspricht, um die eigene Wichtigkeit zu unterstreichen, zu erhöhen, Produkte besser zu verkaufen etc. Oder umgekehrt: Wen finde ich wichtig? Wen spreche ich an? Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, bestimme ich damit mein virtuelles Netzwerk inklusive der Außenwirkung.
So schließt sich ein Kreis ohne klare Abgrenzung… Wer kennt wen wirklich? Wer ist wirklich wichtig (was ist wichtig überhaupt?)? Das ist längst nicht mehr eindeutig zu beantworten, eigentlich gar nicht mehr. Ist der verhasste Kollege nun wichtig für mich? Ist der Arbeitslose schädlich für meine Online-Reputation?
Die verzerrte Welt des Internets verunsichert. Auf scheinbar leichte Fragen gibt es keine eindeutigen Antworten mehr. Die Kollegin, die auf den FTD-Leserbrief antwortete, empfahl, die Kontakteinstellung so zu bedienen, dass nicht jeder sieht, wer im Netzwerk ist. Eine Möglichkeit, bei Facebook lassen sich Kontakte, anders als derzeit bei Xing, kategorisieren.
Die andere Möglichkeit wäre, sich zu fragen, warum wir uns so manipulieren lassen anstatt einfach eigene Kriterien festzulegen und nach diesen zu entscheiden. Ich schalte Arbeitslose frei – es ist doch kein Verbrechen keinen Job zu haben, sondern wie Ute Blindert von Zukx zurücktwitterte: eine Chance. Und manche Wirkungs-Wichtigen mit Riesen-Netzwerk schalte ich nicht frei, weil es durchsichtig ist, dass sie über mein Profil Zugriff auf andere Kontakte haben wollen.
Zurück zur Facebook-Frage: Sicher ist es legitim, jemanden, den man nicht mag, den Zugriff zum eigenen Netzwerk zu verwehren. Allerdings: Fragen Sie sich vorher bitte noch mal kurz, warum Sie jemand unsympathisch oder doof finden….
Genau! Spannender als die vermeintliche “Wichtigkeit” einer Person ist mir sowieso das, was sie im Netz tut und von sich gibt.
Schlimm finde ich z.B. die Kontakte, deren Profil sich auf Dauer auf den Ersteintrag beschränkt. Ebenso schlimm, wenn ein Kontakt in XING fast täglich Gruppennewsletter oder Events promotet, die augenscheinlich um sein Produkt gehen.
Dann ist mir der arbeitslose Schulkollege wesentlich lieber, der aufrichtig engagiert durchs Netz reist.
Oh ja, diese Gruppennewsletter… die führen auch bei mir dazu, dass ich Xing manchmal lästig finde. Gottseidank werden die inzwischen aus den Nachrichten aussortiert. herzliche Grüße Svenja Hofert