Ich wollte doch eigentlich nur ein paar kleine Aufträge vergeben. Für mein Jobangebot nutzte ich eine Mailingliste. Innerhalb weniger Stunden hatten sich 40 Bewerbungen in Outlook versammelt. Wie bin ich bei der Auswahl vorgegangen? Wer ist mir aufgefallen? Dies möchte ich hier beschreiben, weil ich glaube, dass Bewerber und Auftragsuchende daraus einiges lernen können.
1. Bild verschreckt. Mindestens 20% der Bewerbungen hatten ein Foto, das mich, ich sag´s mal vorsichtig, irritiert hat. Eines war direkt in der Mail eingebunden. Es hatte so einen komischen gekachelten Hintergrund und wirkte irgendwie verschnörkelt. Schnörkel ist nicht meine Sache, das gefiel mir nicht. Genau das ist der Grund, aus dem ich anonyme Bewerbungen bevorzuge: Fotos beeinflussen, und zwar oft auch negativ. Ich will mich aber nicht von Äußerlichkeiten beeinflussen lassen und auch nicht davon, dass jemand Kevin heißt. Wenn ich manche Bilder sehe, fällt es mir aber schwer, mich vom “Geschmäckle” zu befreien. Also lieber weglassen.
2. Der lange Text. Viele schrieben ellenlange Briefe. Nach dem 3. Satz hörte ich auf. Wie oft habe ich es gesagt und geschrieben: Unerwartete Anfänge wählen! Keine überflüssigen Sätze! Das ist eine Kunst, die wenige beherrschen. Es ist doch so: Lange Texte sind einfach, kurze schwer. Kurze bleiben aber sicher besser hängen.
3. Vorbei am Ziel. Eine große Anzahl der Bewerber hatte meine Ausschreibung gar nicht richtig gelesen und wollte mir etwas verkaufen, was ich gar nicht nachgefragt hatte. Weg damit.
4. Serienbrief. Ein Klick auf die Website des Arbeit- oder Auftraggebers ist doch so einfach. Trotzdem kommt ein Teil der Bewerber gar nicht erst auf die Idee, die leichteste aller Recherchen anzustellen. Und nachzuschauen: Bei wem bewerbe ich mich da eigentlich?
5. Löcher im Text. Warum Outlook bei einigen Mails die Umlaute und Sonderzeichen löscht und bei anderen nicht, wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, jedenfalls konnte ich die umlautbefreiten Schreiben nicht richtig lesen. Wer den Fehler nun gemacht hat, die Wirkung bleibt gleich: Unprofessionell. Gilt auch für Mailtexte, die als Anhang ankommen.
6. Lauter überflüssige Anhänge. Was soll ich mit einer dicken Mappe? – ärgerte ich mich bei den 5-Megabyte-Monstern, die mir ins Postfach flatterten. Gleich alle Zeugnisse mitschicken, mag richtig sein, wenn ich mich als Projektleiter bei der Telekom bewerbe, aber bei der Bewerbung um einen Auftrag will ich möglichst alles auf einen Blick und Klick.
7. Das Bekannte lockt. Den Namen einer Bewerberin kannte ich bereits; ich hatte positive Assoziationen. Also öffnete ich die Mail zuerst. Eigentlich war mir egal, was drinsteht, es waren auch wirklich nur drei Sätze. Ich rief sie an.
Was soll ich sagen? Die Bekannte passte gar nicht 100% und hatte auch nicht die beste Bewerbung. Doch wenn die Qualifikationen vergleichbar sind, entscheidet letztendlich die Tatsache, ob ich jemand bereits kenne oder nicht. Die ewige Netzwerk-Geschichte. Ich legte mir eine Nummer 2 und 3 als Ersatz zurecht. Das waren die, die am besten auf mein Bedürfnis eingegangen waren.
Wahl getroffen – und jetzt Absagen? Jedem einzelnen ein Feedback geben – Hilfe, schaff ich nicht und meine Assistentin ist auch am Limit. Ich gebe es zu: Ich wählte den leichtesten Weg und schrieb eine Absage im BCC: an alle. Scheint zumindest eine nette Mail gewesen zu sein, jedenfalls bekam ich einige ebenso nette Antworten. Es sei doch schön, wenn jemand so ehrlich und ohne Standardfloskeln antworte.
super Zusammenfassung! Als langjaehrige Artbuyerin habe ich hunderte Bewerbungen von Freelancern gesehen, und bin auch immer wieder erstaunt ueber die leichtsinnigen Fehler… Nur eines kann ich nicht unterschreiben: Bei mir schneiden Bewerbungen ohne Foto schlechter ab. Also an dieser Stelle wuerde fuer mich eher der Aufruf nach guten Fotos stehen, denn schlechte gehen garnicht.
Gruss Sharonah
Hallo Sharonah, danke für den Kommentar! Ich finde: Besser gar kein Foto als ein schlechtes. Das ist aber sicher branchen- bzw. jobabhängig. Im Artbuying steht Optik im Zentrum… da ist das Foto ja auch Teil einer Arbeitsprobe. Da ist dann nicht die 80-Euro-Reihenfotografie der Bewerbungsfotografen (Querformat, Zack, Anschnitt…) gefragt, sondern sowas wie künstlerischer Individualismus.
liebe Grüße Svenja
Wenn ich, sagen wir mal, einen Programmierer suche, brauche ich diese Form der Arbeitsprobe nicht
Hallo Frau Hofert,
probiere nochmal einen Kommentar, trotz technischer Probleme.
Finde Ihren Artikel sehr interessant. Vor Allem, weil er mir mal die andere Seite zeigt und mich zu einigen Verbesserungesüberlegungen bei meinen Bewerbungen anregte.
Gruß B.RE.
Hallo Herr Reddel, ich werde noch mal meine Agentur fragen, ob man das Login bei der Kommentarfunktion erleichtern kann. Um den Spamschutz komme ich nicht herum, Sie glauben nicht, wie viel Spamattacken ich täglich habe…. Danke für Ihren Kommentar, es freut mich, wenn es weiter hilft, dazu mache ich es! herzliche Grüße Svenja Hofert
Hallo Frau Hofert,
vielen Dank für Ihren praxisnahen Beitrag. Aus eigener beruflicher Erfahrung möchte ich virtuell Punkt Nr. 3 nochmals fett, fett, fett hervorheben. Denn damit fängt alles an (und hört auch schnell alles auf): Der Bewerber kann sich und dem Anzeigenersteller viel Zeit, Mühe und auch Geld ersparen, wenn richtig gelesen wird, was überhaupt verlangt wird. Es ist kein Geheimnis, dass die Muss-Kriterien ganz oben stehen und es dort selten Spielraum gibt.
Und damit es zu unschönen Mailanhängen oder Mailtexten gar nicht erst kommt, empfehlen sich kostenlos runterladbare Programme im Internet, mit denen man schnell und bequem alle Dokumente zusammen in eine PDF-Datei packen kann.
Schöne Grüße, Jasmin Sieverding
Hallo Frau Sieverding, danke für Ihren Kommentar! Sie haben vollkommen recht, das Eingehen auf die Anzeige ist entscheidend, und zwar nicht erst nach drei ellenlangen Absätzen, sondern schnell und direkt am Anfang. herzliche Grüße und ein schönes Wochenende
Svenja Hofert
Gibt es wirklich noch Anbieter, die auf eine Ausschreibung ohne eine telefonische Bedarfsanalyse reagieren? Bei Ihnen hat sich scheinbar nicht die erste oder zweite Liga beworben. Ich würde mir Gedanken über die Qualität meiner Ausschreibung machen.
Ich verstehe Ihre Anmerkung nicht. Was meinen Sie genau? Es ging nicht um ein Stelleninserat, sondern um eine Textanzeige in einer Mailingliste. Was das mit Bedarfsanalyse zu tun hat, erschließt sich mir nicht. LG SH