Ingo arbeitet seit 10 Jahren als Entwickler und ist bestens ausgebildet. Trotzdem wandert seine Abteilung jetzt aus – nach Bangalore. Dort kann die Softwareentwicklung, für die er bisher zuständig war, billiger eingekauft werden.
Wir wissen schon seit langem, dass Spezialwissen für ein krisenfestes und prekariatsfreies Jobleben nicht mehr ausreicht. Was anderswo auf der Welt preiswerter erledigt werden kann, wandert früher oder später auch dorthin. Deshalb hat sich im IT-Bereich das Konzept der T-shaped-Karriere herausgebildet: Danach werden Kompetenzen in die Tiefe UND Breite ausgebildet. Es geht also nicht mehr um die Frage Generalist oder Spezialist – das Ziel ist: beides in einem.
Dieses Konzept ist auf andere Bereiche und Branchen übertragbar. Wer nur über Tiefenkompetenz verfügt, sollte sein Wissen in die Breite „ziehen“. Und umgekehrt: Generalisten tun gut daran, sich ein Fachgebiet zu erschließen, gern einen Teilbereich aus der „Breite“. Das Breitenwissen, also der obere Strich auf dem T, kann aus Methoden-, Branchen- und Prozesskenntnissen und auch Soft Skills bestehen. Das Tiefenwissen dagegen bezieht sich auf ein Thema wie Business Intelligence oder ist noch stärker spezialisiert, z.B. auf Mircrostrategy. Themen, die den Strich auf dem T bilden wären nun Datenbanken, Analysemethoden, ERP-Systeme, aber auch Projektmanagement sowie die ganze Range heute notwendiger Soft Skills, vor allem im Bereich der Kommunikation. Schließlich wird es immer mehr darum gehen, Wissen auch für Fachfremde zugänglich zu machen. Das ist eine Kunst, die heute noch hoffnungslos unterschätzt wird, aber in einer Welt der Wissensspezialisten erheblich an Bedeutung gewinnen dürfte.
Auch außerhalb der IT ist das T-Modell hilfreich. Im Marketing etwa, in dem eine Spezialisierung teilweise stark voranschreitet. Jemand mit Spezialwissen in Social Media PR braucht als Breitenwissen etwa allgemeines Marketing-Know-how, journalistische Grunderfahrung und Wissen in der internen und externen Unternehmenskommunikation. Es gibt nur wenige Bereiche, in denen sich eine Entwicklung in Breite und Tiefe nicht anbieten würde, wenn auch die Anforderungen in einigen Bereichen, etwa im Personalmanagement derzeit noch recht „klassisch“ sind, also überwieged Generalisten gefragt sind. Für Selbstständige gilt das Konzept ganz genauso, auch hier macht es Sinn ein Tiefenwissen auszuprägen, das normalerweise besser „honoriert“ wird als Breiten-Know-how. Ohne Breiten-Know-how ist das Wissen jedoch nicht platzierbar – tief und breit ist also auch hier als Geheimrezept.
Warum ist es so wichtig, die Form der modernen Karriereplanung im Auge zu behalten? Ganz einfach: Es ist die beste Methode dafür zu sorgen, dass man sich seine Jobs und Arbeitgeber langfristig selbst aussuchen kann. Je schärfer das T, desto mehr berufliche Möglichkeiten wird es geben. Und auch Veränderungen sind so leichter: Wenn das zunächst angeeignete Tiefenwissen nicht mehr gefragt sein sollte, kann aus dem Breitenwissen ein neues Tiefen-Know-how entwickelt werden.
Die T-shaped-Karriere ist auch zu sehen vor dem Hintergrund einer Akademikerquote von 50 Prozent, die die Bildungspolitik anstrebt. Denn: Sie bietet Perspektiven dort, wo die klassische Führungskarriere als Option fehlt oder rar wird. Der normale berufliche Weg eines gut ausgebildeten Menschens wird eben nicht notwendigerweise in die Führung leiten, sondern immer öfter in ein „T“.
Wie T-shaped sind Sie? Freue mich auf Beispiele aus unterschiedlichen Branchen und Bereichen!
Einen lebendig geschriebenen Beitrag speziell zur T-shaped Career finden Sie bei Perspektive Mittelstand. Tiefgehende Infos liefert ganz aktuell Prof. Elisbeth Heinemann in dem Buch „Jenseits der Programmierung. Mit T-Shaping erfolgreich in die IT-Karriere starten“. Weitere Infos zum Thema gibt es auch in meinem Buch IT-Karriere.
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“Alter Wein sieht in neuen Schläuchen auch wie ein T aus.” Dass ich als MitarbeiterIn im Viel-Ideen-Land Deutschland über niedrige Preise keine Wettbewerbsvorteile erzielen kann, hat Michael Porter ausreichend belegt. MitarbeiterInnen in “Normalbetrieben” wissen schon lange, dass des nur mit dem Blick über den Tellerrand geht (sie also T-geshaped sein müssen) und ein hierarchischer Aufstieg bei flachen Organisationen unwahrscheinlich ist. Ob ich den neuen Begriff T-Shaping brauche, wage ich zu bezweifeln, mehr Menschenverstand ist jedoch immer angebracht.
T-Shaped people kommt ja eher aus der Ecke IDEO/Tim Brown und bezieht sich auf die Vereinigung von Design und Business (design thinking). Die Interessantere Frage ist jedoch, WANN man als T-Shape wirklich neue Ufer erreicht hat und Beide Karriereseiten voll nutzen kann…
Das ist die Frage. Was denken Sie? herzlichst SH