In Frankreich werden Arbeitgeber, die über 45jährige einstellen jetzt mit 2.000 EUR geködert. Und auch bei uns haben es erfahrene Menschen nicht leicht, einen neuen Job zu finden, erst recht, wenn sie über normale Stelleninserate gehen. Denn selbst wenn das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) es verbietet: Die geheimen, ungeschriebenen Anforderungsprofile der Unternehmen sehen für viele Stellen junge Leute vor. Und auf die Gefahr hin, dass ich jetzt kräftig Schelte kriege: Bei bestimmten Stellen kann ich das auch verstehen. Es sind die Stellen, die Top-Engagement, Schnelligkeit und die Bereitschaft zur (annähernden) Selbstaufgabe fordern, aber kein Spezialwissen, besondere Erfahrung, Branchenkontakte oder Führungspraxis. Es sind Einstiegsstellen oder Stellen für den ersten (1-2 Jahre) und zweiten Step (3-4 Jahre im Beruf).
Wer sich beruflich nicht wesentlich darüber hinaus entwickelt hat oder statt in die Tiefe zu gehen, die Breite gesucht hat, ohne aus Vielfalt eine logische „Kette“ zu knüpfen, ist vergleichbar mit 28jährigen, die dann auch noch weniger Geld verlangen. Es gibt kein Plus, eigentlich nur Minus: Natürlich ist “man” mit 45 anspruchsvoller, lässt sich nicht mehr rumkommandieren, hat eine feste Meinung… ist einfach unbequemer.
Womit die Lösung auch schon auf dem Präsentierteller liegt:
- Suchen Sie in Ihrem persönlichen und fachlichen Profil, was Sie von anderen unterscheidet. Führen Sie zusammen, was Sie in unterschiedlichen Jobs gelernt haben, oder kombinieren Sie Ihre Expertise mit Wissen aus anderen Quellen. Suchen Sie nach altersgerechten Stellen, die persönliche Erfahrungen voraussetzen – und suchen Sie diese nicht in Stellenmärkten, sondern in Ihrem Umfeld und unter Ihren Kontakten.
- Wagen Sie einen wirklich mutigen und großen Schritt. Ich habe in meiner Beratung ehemalige Lehrer, die SAP-Berater geworden sind oder Archäologen, die Hausdame wurden. So ein Schritt kostet erst mal Geld für Weiterbildung und zeitweise Aus- und Übergangszeiten. Aber er lohnt sich fast immer – falls gut durchdacht.
- Machen Sie sich selbstständig! Ich bin überzeugt, dass jeder selbstständig werden kann, wenn er das richtige Thema findet und eine zur eigenen Erfahrung und Persönlichkeit passende Idee findet (dazu mehr in meinem im Sommer bei Gabal erscheinenden Buch „Das Slow-Grow-Prinzip). Und gerade ab 45, wenn man Freiheiten schätzt und endlich etwas für sich selbst tun möchte, ist diese Perspektive besonders attraktiv.
Guten Abend Frau Hofert,
ja da haben Sie vollkommen Recht. Ich bevorzuge magels Alternativen die 3.te Lösung und mache mich selbstständig.
Diese Überlegung hat einiges für sich, obwohl man als bisher Angestellter umdenken muß. Keine regelmäßigen , gleichbleibenden Einkünfte jeden Monat, Prioritäten bei Terminen und Aufgaben setzen lernen. Ihre Lösung Nummer 2 war auch einige Zeit in meinen Überlegungen, aber mangels finazieller Mittel leider so nicht durchführbar. Jetzt habe ich für die nächsten JAhre einen Plan, der dieses Jahr mit einer Fortbildung begann und dann in der Selbstständigkeit enden wird. Die ersten Bankgespräche und die Gespräche mit der ARGE sind schon terminiert und ich habe selbst ein gutes Gefühl, das allerdings Zeit brauchte , um entstehen zu können. Aber jetzt schreckt das kalte Wasser nicht mehr und ich kann es angehen.
In diesem Sinne finde ich immer wieder Interessante Themen in Ihrem Blog und sage weiter so
Ich warte schon mit Spannung auf Ihr neues Buch!
Einen schönen Abend
B.RE.
Hallo Herr Reddel, danke für Ihren Kommentar. Ja, das Gefühl “das mach ich jetzt” braucht Zeit, um sich im Kopf zu setzen. Aber dann! Und wie war das mit den kalten Wassern? Ich grusel mich immer fürchterlich, bevor ich springe …. aber dann ist alles ganz angenehm.
schönen Abend und liebe Grüße
Svenja Hofert
Ihre Analyse gilt, wenn überhaupt, nur für Großunternehmen.
@Zorem
Das ist nicht so. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden generell nur in Ausnahmefällen Mitarbeiter über 45 Jahren eingestellt. Kann ich persönlich nur bestätigen. Damit trifft auch die Aussage von Frau Hofert zu und zwar nicht nur für Großunternehmen, sondern den gesammten Arbeitsmakrt.!!
Gruß B.RE.
Die Welt ist konstruiert. Von Ihrem Standpunkt aus, haben Sie selbstverständlich Recht Herr RE. In meiner Welt gelten werder die Aussage von SH noch Ihre. Es gibt viele Arbeitgeber, die sich gern mit älteren Mitarbeitern umgeben, weil Vorteile eventuelle Nachteile überkompensieren. Einige davon sind: Treue zum Unternehmen, wenig Fehlzeiten, abgeschlossene Familienplanung, hohe Fachkompetenz ….
Wer nichts anzubieten hat, unpassende Forderungen stellt, sich auf Juniorposten bewirbt oder keine Rücklagen hat, verbastelt aus reiner Verzweiflung den Existenzgründungszuschuss von der Arge, den Gründerkredit und ist dann noch mehr im Abseits als vorher. Sie sind scheinbar kein Optimist und voller Selbstzweifel. Ich würde es mit dem eigenen Unternehmen lassen.
@Zorem: Es gibt beide Entwicklungen, auch die hin zu mehr Offenheit Älteren gegenüber, und Sie haben durchaus recht, das viel mit der Einstellung zu sich selbst zu tun hat. Aber eben nicht nur. Ferndiagnosen über Internet würde ich allerdings nicht stellen, das ist sehr weit aus dem Fenster gelehnt
LG SH
Keine Ferndiagnosen – stimmt, deshalb habe ich auch wahrscheinlich geschrieben. Wenn es klappt mit der Firma, um so besser. -:)