Gibt es ein Unternehmergen? Nein, sagt eine neue Studie. Aber es gibt eine Disposition dafür Unternehmer zu sein: eine bestimmte Persönlichkeit. Und diese wiederum ist auch teilweise auf die Gene zurückzuführen. Die Studie heißt „Personality Characteristics and The Decision to Become and stay self-employed” vom Instititute for the study of labor (IZA), Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) und dem deutschen Institut für Wirtschaft (DIW). Wie groß der genetische Anteil wirklich ist, weiß niemand.
Ich vermute, die Erfahrung der Vergangenheit und der familiäre Hintergrund spielen die Hauptrollen. Immer wieder fällt mir auf, dass Kinder von Selbstständigen sehr viel leichter den Schritt in eine unternehmerische Tätigkeit wagen.
In meinen Coachingverträgen im Rahmen des KFW-Gründercoachings / Unternehmercoachings stets deshalb meist auch das Thema „Unternehmerpersönlichkeit“. Diese zu stärken, muss das Ziel sein – alles andere ist wichtig, verhindert Fehler und spart Zeit und Umwege – aber läuft nebenbei. Oder anders ausgedrückt: Wissen kann man sich aneignen, Persönlichkeit hat man, Unternehmereigenschaften muss man entwickeln. Und das ist bei einigen Menschen eben leichter als bei anderen. Die simple Formel „wer wirklich will, schafft es auch“ trifft hier ganz besonders zu.
Alles hängt also an der Persönlichkeit des Gründers ab und nicht etwa an seinem Wissen und Können? Ja, ich behaupte: Nicht mal die Idee ist wichtig. Selbst in schwierigen Bereichen setzen sich nicht die durch, die gut sind und eine klasse Ausbildung haben, sondern die, die das wirklich und mit aller Kraft wollen. Es ist oft gar nicht nötig, schon am Anfang eine scharfes Profil und ein kantiges Alleinstellungsmerkmal zu haben – es geht auch mit „me too“, teilweise sogar besser und erfolgreicher.
In der eingangs zitierten Studie wird einmal mehr der Big5 zitiert und wieder geht es um die Werte Offenheit und Extrovertiertheit, die den Gründungserfolg bestimmen. Das ist auch logisch: Jemand, der sich Neuem verwehrt, also ein nicht offener Mensch, ist beratungsresistent, denkt und handelt eindimensional und entweder technokratisch oder ohne eigene Meinung. Bisher konnten sich Nicht-Offene noch gut in Angestelltenverhältnisse zurückziehen. Dort bilden sie die Gruppe der Verhinderer und Bewahrer oder zumindest ihrer Sympathisanten.
Doch wie lange passen solche Nicht-Offenen Menschen noch in die moderne Arbeitswelt? Menschen, die sich Neuem gegenüber verschließen, können nicht mehr mithalten, Burnout ist eine mögliche Folge. Was keineswegs heißt, das Nicht-offene öfter Burnout bekommen – es ist im Gegenteil meiner Erfahrung nach so, dass auch viele ausgebremste „Offene“ darunter leiden. Das sind die, die mit ihrer Offenheit an Grenzen stoßen. Denn die Arbeitswelt ist im Umbruch. Das heißt immer auch, Altes und Neues besteht parallel, mitunter in denselben Unternehmen.
Den Verzicht auf Sicherheit, den Förster/Kreuz in ihrem Super-Buch „Nur Tote bleiben liegen“ auch von Angestellten fordern – das ein guter Abriss über die Arbeitswelt der Zukunft ist – werden nur die Offenen freiwillig und mit Begeisterung eingehen. Dieser Sicherheitsverzicht erfordert anderes Denken – unternehmerisches nämlich. Deshalb sind die Forschungsergebnisse für alle wichtig, nicht nur für Selbstständige. Es spielt keine Rolle mehr, ob ein Vertrag fest ist oder frei – jeder ist Unternehmer für sich selbst. Deshalb ist es gut, dass es kein Unternehmergen gibt. Das alles lässt sich entwickeln.
Hallo Frau Hofert und Mitlesende,
eine These dazu: Die wesentlichste Eigenschaft des Angestellten ist es, sich im Zweifel in eine Organisation einzuordnen. Umgekehrt ist der Antrieb des Selbständigen, genau dies nicht tun zu wollen. Einverstanden? Andere Meinung? Würde mich interessieren – und ist ein Aspekt, der für mich hier fehlt.
Beste Grüße, Christoph Burger
Hallo Herr Burger, absolut. Nur ist es so, dass Unternehmen umdenken müssen…. denn in Sachen Innovation (bekanntlich Heimvorteil westeuropäischer Länder mit niedriger Machtdominanz im Vergleicht zur Copy & Paste-Kultur von Ländern mit hoher Machtdominanz) können Sie nicht mithalten, wenn sie auf den Typ des sich unterordnenden Angestellten setzen. Das ist ein Widerspruch, der bekannt ist. Auf den Punkt gebracht: Ich brauche selbstdenkende unabhängige Menschen, um mein Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten – aber in der Organisation sind genau diese Leute anstrengend und lästig. Deren primärer Motor ist die Aufgabe, die Arbeit, das Vorankommen – das passt schlecht zu einer primären Motivation Sicherheit, Status, soziale Integriertheit. Nicht ganz einfaches Thema
liebe Grüße Svenja Hofert
Hallo Herr Burger,
dem ersten Teil Ihrer These (über Angestellte) stimme ich zu. Dem zweiten Teil nicht, da gerade der Selbständige erfolgreich ist, der sich seinen Kunden, die oft Organisationen sind, anpasst.
Frau Hoferts Kommentar sollten sich die Unternehmen zu Herzen nehmen. Tun sie nur leider nicht.
ad Frau Hofert: Ich denke, der Fachkräftemangel wird in vielen Unternehmen ein Umdenken auslösen. Sie auch?
ad Herr Hochgeschurtz: Sie haben Recht, manche frischgebackene Selbständige wundern sich, wie abhängig man auch von Kunden sein kann. Dennoch ist es meiner Beobachtung nach etwas ganz anderes, ob man in eine Organisation eingebunden funktionieren soll, oder von Kunden abhängt. Auf die Art der Abhängigkeit kommt es an. Oder?
Hallo Herr Burger, denke ich, aber die Unternehmen sind langsam! Und: Im Grunde hängt jeder von Kunden ab und von nichts anderem – auch das Unternehmen. Aber abhängig ist an dieser Stelle das falsche Wort. LG SH
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