Ich verrate Ihnen jetzt mal was, psst: Ich wollte Polizeipsychologin werden, weil ich gern Dingen und Menschen auf den Grund gehe und Zusammenhänge entdecke. Da habe ich mich letzte Woche auch gegenüber meiner langjährigen Büro-Partnerin geoutet.
Die hatte meinen Traumjob inne, bevor sie in die Disziplin Training und Coaching wechselte. Natürlich hat mich zwischenzeitlich längst der Realismus eingeholt, und mir ist klar – was sie bestätigen kann – dass der Job einer Polizeipsychologin nicht annähernd so aussieht wie der der Frieda Jung (die leider inzwischen aufgehört hat) beim Tatort Kiel. Und dass auch die Kollegen nicht halb so charmant-unbeholfen-bärbeißig sind wie ein Axel Milberg, äh, Klaus Borowski – nun ja, mit dem Alter steigt auch die Bodenständigkeit…
Im Zuge der Recherche für ein 2012 erscheinendes Buch habe ich mich in den letzten Monaten mit dem Entstehen von Berufswünschen beschäftigt – und bin unter anderem auf das Fernsehen gestoßen. Dieses spielt bei der Berufsorientierung junger Menschen eine zunehmend wichtige Rolle. Wir sehen dort seit einigen Jahren eine ständig steigende Anzahl Profiler, die sich auf allen Sendern mit spannenden Fällen, Massenmorden und anderen Schwerverbrechern auseinander setzen.
Immer öfter wird mir, teils verschämt, der Berufswunsch Profiler präsentiert.
Die Nachfrage nach diesem Beruf muss inzwischen so extrem sein, dass sich das Bundeskriminalamt gezwungen sah, ein PDF auf seine Website zu stellen, in dem es den Job des Fallanalytikers entmystifiziert. Es schreibt: „Zwischen den Wünschen und Hoffnungen dieser jungen Leute [die das BKA anschreiben], die oft von den realitätsfernen Darstellungen der Medien gespeist werden und den tatsächlichen Rahmenbedingungen im polizeilichen Alltag liegen oftmals Welten.“
Tatsache ist laut BKA: Ausgebildet zum Profiler werden ausschließlich Polizei-Mitarbeiter. Und: Es gibt in Deutschland nur 50 Fallanalytiker, und 40 weitere in Ausbildung. Der Bedarf ist damit, so sagt das BKA deutlich, absolut gedeckt.
Es gibt noch viele andere Beispiele für Berufswünsche, die vom Fernsehen ausgelöst werden, Moderator und Fernsehredakteur etwa. Die Patentante meines Sohnes hat diesen Job. Neulich sagte sie zu ihm nach einem 12-Stunden-Drehtag “hoffentlich wirst du was Vernünftiges.”
Romane spielen übrigens eine ähnliche Rolle; ich vermute mehr noch bei Frauen, die bekanntlich ja auch mehr lesen. Haben Sie jemals einen spannenden Thriller mit einer Hauptperson gelesen, die als Ingenieur oder Controller oder gar Leiter Rechnungswesen tätig war? Sicher nicht. Die Romanhelden sind, wenn sie nicht Profiler sind, Journalisten, Schriftsteller oder maximal Eventmanager. Ich finde, da besteht echter Nachholbedarf in Sachen Realismus. Andrerseits: Wer will schon Details von jemanden lesen, der Flugzeugflächen berechnet oder CAD-Zeichnungen für die Verkabelung von Innenräumen des Airbus 360 anfertigt?
Wie Sie herausfinden, wie realistisch ein Traumjob ist? Sprechen Sie mit Menschen in dem jeweiligen Beruf, und recherchieren Sie in Primärquellen. Vor Jahren hatte ich mal einen Lehrauftrag in wissenschaftlichem Arbeiten, da spielte das Internet eine noch kleinere Rolle als heute. Aber schon damals konnten die Studenten nicht wirklich zwischen Primär- und Sekundärquelle unterscheiden (oder wollten es nicht – macht ja mehr Arbeit, in den Originalen zu lesen). Nachdem das Wort “guttenbergen” nun in den restringierten Code der Jugendsprache übergegangen ist, besteht Hoffnung… Oder?
Um das sicherheitshalber doch noch mal kurz zu erklären: Eine Primärquelle ist die des oben verlinkten BKA. Eine Sekundärquelle wäre dieser Beitrag, wenn ich einfach nur daraus zitiert hätte. Hätte ich ja falsch machen können. Also besser im Original lesen
“Das Fernsehen spielt bei der Berufswahl von Jugendlichen eine große Rolle…”
Noch!
Spätestens in zwei Jahren wirst Du sinngemäß schreiben: “Youtube, Facebook, Google+ und Co spielen bei der Berufswahl eine immer größere Rolle”.
Na ja, sofern die genannten dann noch existieren
Faktisch sind es Vorbilder, die den Berufswunsch erzeugen. Wenn wir Eltern aber keine Vorbilder sind, suchen sich unsere Kinder die Vorbilder selbst; im Fernsehen, auf Youtube oder wo die Kinder sich “medial” oder “physisch” herumtreiben. Das in den Medien der Ingenieur häufiger der Täter, als der Held ist, liegt wohl an den Drehbuchautoren, die gerne Ingenieur geworden wären, aber es nicht geschafft haben;-)
Aus disem Grund empfehlen wir (nicht nur) jungen Menschen immer, den Berufswunsch durch praktische Erfahrung, zu Beispiel Schnuppertage u.ae. zu ueberprufen. (Bin grade in Griechenland an einem Rechner ohn Umlaute…)
Da hamm se recht, Herr Hochgeschurtz. Die meisten Drehbuchautoren träumten von einem Ingenieurstudium
Und sagen wir mal so: Wenn ich mir die Drehbuchschreibperspektiven etwa im Bereich der Soaps so anschaue, würde ich im Zweifel doch eher dazu raten, Verkabelungssysteme in Airbussen zu konzipieren, ist intelligenter…
Im Ernst: Ich wollte heute Ihren Roman bestellen, weil, wenn ich Amazon richtig verstanden habe, ein Ingenieur die Hauptrolle spielt. Oder krieg ich ein Rezenzionsexemplar und Sie demnächst eins von mir? Ich schwöre: Ich schreibe nur darüber, wenn ich´s gut finde. LG Svenja Hofert
@Larshahn: Na, ich weiß ja nicht. Als alter Krimi- und Tatort-Fan kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Leidenschaft durchs Internet abgelöst werden kann… Neee, glaub ich nicht. Aber die Helden werden Social Media Manager sein! LG!
Liebe Frau Hofert,
Buch ist in der Post. Nehme Kritik sehr gerne entgegen, da ich gerade an der Fortsetzung schreibe (soll im Dez. erscheinen).