Von Kleinkrämern, Argusaugen und der Ursache von Teamkonflikten

Ok, ich gebe zu: Ich habe so meine Probleme mit Kleinkrämern, und ganz besonders mit dem Subtypus Argusauge. Als mir der erste engagierte Leser eine Liste mit den 102,3 Rechtschreib- und Grammatikfehlern aus meinem 450-Seiten-Praxisbuch per E-Mail schickte, war ich zunächst geneigt, mich über die verschwendete Energie zu ärgern. Ich finde Rechtschreibfehler nämlich nicht wichtig. Und dass selbst nach zwei Lektoraten welche übrig bleiben, halte ich für normal. Mir reicht es, wenn Ideen stimmig sind, Texte einen roten Faden und gute Headlines haben. In irgendeinem Test stand mal ich hätte eine Helikopterperspektive. Helikopterperspektive und Argusauge? Theoretisch eine super Ergänzung, praktisch eher schwierig.

Nun stellen Sie sich mal vor, ich wäre in einem Team mit einem Argusauge, das immer zuerst den Fehler anstatt des Gesamtkonzeptes sieht. Im Idealfall finden wir uns gegenseitig einfach nur „anders“, im Normalfall wird diese Kombination unsere Teamarbeit auf eine  harte Probe stellen. Als Chefin kann ich meinen angestellten Argusaugen sagen, wie ich es haben will, zum Beispiel die Devise “Konzentration auf das Wesentliche” und “Toleranz für Fehler” ausgeben. Auf gleicher Augenhöhe müsste ich mir dagegen was einfallen lassen, um die gemeinsame Arbeit irgendwie doch befruchtend zu finden. Vor allem wenn ein Laissez-faire-Chef keine Richtung vorgibt, was allzuoft der Fall ist.

Darauf will ich hinaus. Teamkonflikte haben letztendlich nur mit drei Dingen zu tun:

  1. Da wir normalerweise denjenigen sympathisch finde, der so ähnlich tickt wie wir, entstehen Konflikte entlang von Polaritäten. Je mehr andersartige Personen in einem Team, desto mehr Konfliktpotenzial.
  2. Weil wir normalerweise denken, alle anderen müssten so ticken und handeln wie wir selbst, machen wir uns selbst zum Maßstab. Wir verstehen nicht, wie jemand anders so furchtbar oberflächlich, penibel, unzuverlässig, überpünktlich, undiplomatisch, übertrieben kompromissbereit etc. sein kann.
  3. Wenn wir uns 1 und 2 nicht ausreichend bewusst sind, verhindert die Polarität gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung.

Polaritäten zu erkennen ist deshalb die wichtigste Aufgabe – für Chefs genauso wie für Mitarbeiter. Denn natürlich spiegelt sich der persönliche Standpunkt eines Chefs auch in der Beurteilung seines Mitareiters. Ich sehe das immer sehr schön in den Mitarbeiterbewertungen. Ein Manager, der selbst genau und gewissenhaft ist, wird dieses Kriterium als Maßstab seiner Bewertung anlegen. Er wird zum Beispiel über viele Fehler meckern, die ein anderer gar nicht sieht, geschweige denn erwähnenswert findet. Ein wenig Selbstreflexion ist da enorm hilfreich.

Wo Sie selbst stehen und wo damit auch Ihre Gegenpole zu anderen im Team sind, lässt sich mit Persönlichkeitsprofilen wie dem von Steven Reiss ermitteln. Es geht aber auch einfacher, mit dem Riemann-Thomann-Modell, das Sie hier von mir gezeichnet ansehen können, falls Sie Facebook-Mitglied sind.

Dieses Modell beruht auf den Grundformen der Angst von Fritz Riemann und beschreibt menschliche Tendenzen. Dauermenschen brauchen Plan und Struktur. Es kann sein, dass sie zusätzlich Argusaugen haben. Wechselmenschen brauchen Flexibilität und Freiheit von Vorgaben. Es kann sein, dass ihnen zusätzlich Details unwichtig sind. Der eine versteht den anderen dann nicht, sofern er sich diese Polarität nicht bewusst macht. Nähemenschen suchen  Verbundenheit und Wir-Gefühl, deshalb sind sie oft kompromissbereit. Distanzmenschen streben nach Autonomie und Selbstständigkeit im Handeln und neigen dazu, ihr eigenes Ding zu machen.  Deshalb si nd sie schnell undiplomatisch.

Jeder Mensch vereint zwei Tendenzen in sich, wobei es natürlich auch Positionen in der Mitte geben kann.  Stellen Sie sich einfach mal vor, wie Udo Lindenberg (Wechsel-Distanz) und Wolfgang Schäuble (Dauer-Distanz) einen gemeinsamen Song erstellen  oder ein Likörelle…  Ja, wahrscheinlich wäre ein Moderator hilfreich. Das ist er übrigens auch bei weniger exponierten Teamkonflikten.

Aus den Polaritäten ergeben sich typische Spannungsfelder: Wechseltypen sind oft unpünktlich, was dem Dauertyp auf den Keks geht, der nicht selten überpünktlich ist. Der eine versteht den anderen nicht und schwupps ist er da, der Konflikt.

Es hilft, den eigenen Standpunkt in dem Modell zu kennen, denn daraus erklären sich Konflikte. Zurück zum Argusauge. Ich habe mich entschieden, die langen Listen mit Rechtschreibfehlern nett zu finden.  Aber ein bisschen froh bin ich schon, dass ich mit keinem von den Argusaugen eng zusammenarbeiten muss ;-)

Wenn Sie Lust haben, machen Sie doch mal unseren Teamtest unter www.ichhasseteams.de - bisher 2.200 Mal von Nutzern absolviert.


16 Kommentare zu “Von Kleinkrämern, Argusaugen und der Ursache von Teamkonflikten

  1. Danke für den interessanten Artikel zu diesem wichtigem Thema. In diesem Zusammenhang auch interessant: Das Wertequadrat von Schulz von Thun, das visualisiert auch gut die Quelle solcher Konflikte.

  2. Sie solllten anerkennen, dass Sie Rechtschreibung nicht beherrschen und sollten Ihre Bücher demnächst von dieser Leserin für ein ordentliches Honorar kontrollieren lassen.

    Teams müssen aus Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen bestehen. Dies ist in der Praxis keinesfalls schwierig, wenn jeder weiss, was er besonders gut kann und nur diese Aufgaben erledigt.

  3. Ich anerkenne absolut, dass mir der Adlerblick fehlt – doch fürs Lektorat engagiere ich ganz sicher keine Leser. Das machen nämlich Verlage und keine Autoren. Nebenbei gesagt, gibt es üblicherweise 2 Lektorate und gab es hier auch (das Fehler verbleiben ist normal). freundliche Grüße Svenja Hofert

  4. @Zorem: Typisches Beispiel von “Überqualität” und übermässigem “Argusaugen” hinsehen. Es ist auch Qualität, wenn man 1 oder 2 % Restfehler in einem fertigen Produkt egal was es sei, entdecken kann.
    Ich z.b. programmiere und es gibt selbst bei sogenannter fertiger Software keine Fehlerfreiheit. Das sagt noch lange nichts über minderwertige Qualität aus, sondern derjenige der Fehlerfreiheit verlangt sollte der Realität ins Auge sehen und sich selbst als Maßstab nehmen. Jeder der behauptet fehlerfrei zu sein, macht sich nämliuch selbst etwas vor. Gute Qualität von Software macht sich z.B nicht an fehlerfreiheit fest, sondern daran, daß Probleme gelöst werden , der Benutzer klar kommt und das es eine Alltagshilfe ist. Um Absolute fehlerfreiheit zu gewährleisten würde Software viel zu teuer. Übrigends habe ich auch noch kein einziges Fachbuch in der IT ohne fehler gesehen. Das ist unmöglich und ich behaupte dass man darüber hinwegsehen kann. Überspitzt dargestellt kann man sagen wenn von tausenden von Worten 100 Fehler beinhalten ist weder das Lektorat noch das Buch “fehlerhaft” und es sollte eigentlich garnicht der Erwähnung wert sein. Die Kirche immer schön im Dorf lassen. Nur Beamte müssen überpingelig sein, normale Menschen nicht!
    Viele Grüsse B.RE

  5. Geht es um Fehlerfreiheit? Nein, natürlich nicht. Es geht um Fachteams. Wenn zwei Lektoren ein Buch lesen, dann kann einer Ausdruck, Inhalt und Grammatik kontrollieren und einer Rechtschreibung. Was schreiben Sie, wenn ihr Auto Sie bei 450.000 km Gesamtlaufleistung 100,3 mal stehen lässt?

    Ist normal und gar nicht wichtig!

  6. @Zorem, ok, es geht um Fachteams. Wenn jedoch das Lektorat seine Aufgabe macht, macht es sie nicht schlecht, wenn weniger Restfehler übrig bleiben. Was machen sie z.B: wenn die Programierer bei Microsoft in Windows Fehler machden und dennoch ausliefern, so wie das schon immer übrlich war bei Windows Betriebssystemen. Geben sie die Software dann als fehlerhaft zurück. Das mit dem Auto ist leider ein schlechtes Beispiel. Denn auch Autos die fahren sind fehlerhaft und das führt manchmal zu Unfällen. Zwingt zumindest zu ständigen Kontrollen, so genannten Inspektionen. Also immer noch meine Ansicht. Es gibt nirgendwo fehlerfreiheit, auch nicht wenn alle Fachteams der Welt ihre Aufgabe gut lösen.

    Viele Grüße B.RE

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  8. Das Lustige an diesem Dialog ist ja, dass der “Kritiker” Wilhelm Zorem in seinen Texten selbst oft genug nicht der Rechtschreibung mächtig ist. Außerdem betätigt er sich journalistisch als “Kritiker” ohne ein entsprechend erforderliches Impressum. Ich würde Trollen gar keinen Raum geben. Sie tragen nichts Konstruktives zur Diskussion bei.

  9. Die Linie möchte ich nicht ziehen. So lange es nicht deutlich unter die Gürtellinie geht, werde ich nicht zensieren. Das widerspricht meinem Grundverständnis. Man kann Trolle auch ignorieren ;-) LG SH

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  12. Was ist, wenn ich beim Einhalten bestimmter Redezeiten im Team sehr wachsam und penibel bin, aber meine sympathische, aber nervige Kollegin locker drauf los plaudert? Was ist, wenn ich mein Zuspätkommen großzügig übersehe, aber wenn sie eine Minute zu spät erscheint, auf die Palme gehe? Ich biin also mal ein Arrgusauge un dann wider eine „Überflieger“, mal binn ich en Freiheitsfaanatieker , dan wieder suche ich Stuktur zum Festehalten.. Die Grundlage des Konflikts liegt dann m.E. ganz woanders.
    Ich denke die Modelle sind eine gute Orientierung für die Typenfrage und die Polaritäten überhaupt, aber leider fördern sie die Psychologenkrankheit der „Schubladisierung“ sehr. Und dann macht man es sich zu leicht, denn dann glaubt die stolze Beraterin mit ihrem beeindruckenden Tool, sie hätte ihr Gegenüber oder die Situation jetzt erfasst, doch in Wahrheit täuscht sie sich ( d.h. ihr Instrumentarium ist zu grob). Also Vorsicht mit einleuchtenden, einfachen, gut vermarktbaren Modellen, sie versprechen Einfachheit, wo das Gegenteil, Komplexität vorliegt.

    • Hallo Herr Albers, vollkomen richtig, es geht um Komplexität – doch sobald man etwas schreibt, kann man nur vereinfachen (andernfalls finden Sie nämlich keine Leser – und das heißt: ich erreiche niemand, Zweck verfehlt). Über die Vereinfachung findet man auch den Zugang zum Komplexen, denn mit Komplexem allein findet niemand Gehör. Sie haben recht, Schubladisierung ist eine Gefahr und Zuschreibungsfehler sind schnell gemacht. Dessen muss man sich bewusst sein, darüber gab es hier aber auch schon einige Beiträge. Das ein 4-Typen-Modell genauso wenig wie ein 16-Typen-Modell (MBTI) umfassend beschreiben kann ist doch klar. Aber es kann Menschen, die sich sonst nie damit beschäftigt habe, die Augen öffnen.
      LG SH

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