Büchlein streck dich: Schreiben Sie bloß nicht, weil alle es tun…*

Der Spiegel (mal nicht Online, sondern Print) veröffentlichte diese Woche einen leicht ironischen und doch ernstzunehmenden 10-Punkte-Plan für den erfolgreichen Weg zur Koryphäe. Am Beispiel von Richard David Precht zeigte der Autor, wie so ein Superexperte sich positioniert, etwa über die zunächst wahllose Teilnahme an Talkshows und anschließend dezidiertem Sich-Rar-Machen. Die Motivation des schönen Richards Bücher zu schreiben, wird nun aber eine andere gewesen sein als die der wachsenden Schar von GSA-Speakern, die ein Buch brauchen, um ihre Existenz auf Vortragsveranstaltungen (oder die Höhe der dort gezahlten Honorare) zu rechtfertigen, äh, zu untermalen. Ich denke Richard wollte denken und schreiben und hatte keine Lust in einem Konzern zu arbeiten. Nur im letzten Punkt deckt sich die Motivation mit der vieler Berater, die auch so ein Buch wollen. Ergo: Deren Weg muss wahrscheinlich ein anderer sein.

Die meisten Trainer, Berater, Coachs wollen mit einem Buch Werbung machen für sich selbst und ihr Thema. Es ist für sie Verkaufsunterstützung. Leider gehen allzu viele dabei sogenannten Autorenverlagen auf den Leim, die Geld für die Veröffentlichung haben wollen oder das ganze als Druckkostenzuschuss verkaufen. Das sind dann Verlage, die ähnlich klingen wie die am Markt etablierten, und in ihren Anzeigen schreiben „wir suchen noch Manuskripte“. Problemlos kann man auf diese Weise 30.000 Euro und mehr aus dem Fenster schmeißen.  

Eins ist jedenfalls sehr sicher: Bücher werden Sie mit so einem Autorenverlag nicht verkaufen, wenn Sie sich die Stapel nicht selbst unter den Arm klemmen.  Denn das ist schon mal anders bei einem guten Verlag: er ist im Handel präsent. Und präsent heißt: Die Bücher stehen da, lassen sich ansehen und nicht nur über Listen bestellen. Das zubuchbare oder integrierte Lektorat bei solchen Verlagen ist zwar für Schreiblaien sinnvoll, reicht aber nicht entfernt heran an einen professionellen Ghostwriter, der einen journalistischen Hintergrund hat.  Problem ist, das manch einer der Trainer, Berater, Coachs sich an der Stelle über- und die Wirkung von Geschichten und Worten einfach unterschätzt. Und ja, sehr viele Bücher sind gar nicht von denen geschrieben, deren Namen drauf steht. Fremdschreiben lassen ist für die Qualität oft  nicht die schlechteste Idee.

Man hört, dass Beraterkollegen, die  Bücher schreiben, sich nicht ins Manuskript reden lassen wollen, und zum Beispiel auf selbst gewählten Titeln bestehen. Diese vereinzelt auftauchende Eigenwilligkeit an der Grenze zu Beratungsresistenz ist natürlich selten Erfolgszept und öfter Erfolgsverhinderer auf dem populären Buchmarkt. Denn hier hat das zehnte Buch zum Selbstmarketing schlichtweg keinen Platz – da muss man sich was ganz anderes einfallen lassen.  Blöd, wenn das Andere nicht zum Beratungsgeschäft passt. Will man sein eigenes Thema durchsetzen, rate ich doch lieber Books on Demand, da kann man selbst bestimmen (und sollte bitte nicht am Papier sparen, manche dieser Bücher sind wirklich billig gemacht).

Ansonsten gilt bei BOD das gleiche wie bei den Autorenverlagen: Verkaufen muss der Autor selbst, und das ist außerhalb des eigenen, vertrauten Kreises schwer, wenn kein größerer Verlagsname auf dem Buchtitel steht.  Aber wenn man das Teil sowieso nur an die Leute verkaufen will, die auch sonst im Training sind oder die Vortragshalle füllen: Der durchschnittliche Kunde merkt nicht, dass das Logo eines etablierten Verlags fehlt. Hauptsache gedruckt, denken viele: es ist ein Buch, hurra!  Blöd nur, wenn es keiner liest und kauft.

Viele Trainer, Berater, Coachs wollen zu früh ein Buch schreiben. Es rangiert aus meiner Sicht zwischen verrückt und leichtsinnig, das Projekt „eigenes Buch“ in den ersten drei Jahren einer Selbstständigkeit anzugehen, wenn das eigene Unternehmen gar nicht aufgebaut ist und die Kröten noch langsam ins Portemonnaie wandern. Konzentration auf das Wesentliche – Geldverdienen – lautet dann meine Empfehlung.

Eine Bekannte von mir hat jahrelang sehr erfolgreich Impulsvorträge in Unternehmen gehalten. Immer wieder wurde sie angesprochen „schreib doch mal ein Buch.“ Deshalb hat sie mich gefragt….  Doch irgendwie reichte der Inhalt nicht: wunderbar für einen Vortrag, zu dünn für ein Buch. Und durch Strecken wird man auch nicht lang.

 …sondern lieber erst dann, wenn Sie richtig was zu sagen haben. Richtig was zu sagen hat zum Beispiel die Autorin Susan Cain, über deren Buch „Still“ ich in den nächsten Tagen schreiben werde.


3 Kommentare zu “Büchlein streck dich: Schreiben Sie bloß nicht, weil alle es tun…*

  1. Eben! Nicht jeder ist ein Autor, selbst wenn er was zu sagen hat.

    Ich zum Beispiel bin ein vorzüglicher Multiplikator: Ich lese tolle Bücher, zitiere daraus und empfehle sie in meiner Arbeit weiter. Sozusagen ein analoger Retweeter.
    Gute Autoren brauchen solche Leute ;-)

    P.S. Ist das eigentlich Absicht, dass “Trainer, Berater, Coaches” durch die naheliegende Abkürzung an Lungenkranke erinnert? ;-)

  2. analoge Retweeter sind das, was ein Autor braucht – so profitieren wir beide, oder? BTC…. nee, ich rauche seit 11 Jahren nicht mehr… das hatte ich nicht im Blick ;-)

  3. Zustimmung!

    Ein Punkt fehlt noch. Der Schreiberling sollte im Thema stehen. Einige schreiben nach dem Motto: “Es ist alles gesagt, nur nicht von mir.”

    Inzwischen haben Leute Erfolg, die Boulevard schreiben und reden. Diese Verkaufsbestseller Fachbuch zu nennen ist bereits Realsatire.

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