Nein, nicht mehr. Die Headline ist ein Finte.
Ich habe es wieder aufgegeben – nach einem Probemonat bei der ils. Es ist auch kein Studium, sondern ein Fernlehrgang. Er dauert sechs Monate, davon hat man einen Schnuppermonat. Es kommt ein Paket ins Haus, das ein nettes Schreiben, einen Kuli, einen Schreibblock, ökologisch schwer vertretbares Füllmaterial, und wenn ich richtig gezählt habe fünf Studienhefte enthält. Der Sinn des Schreibblocks erschließt sich mir nicht; aber man darf auch mit Word arbeiten. Immerhin – wo doch schon die ersten Schulen komplett auf PC umstellen. Innerhalb des ersten Monats darf man das Paket bei Nichtgefallen zurücksenden und zahlt dann nichts. Mutig, die von ils.
Natürlich ahnte ich, dass es auf ein Schnuppern hinauslaufen würde, als ich mit Kollege Lars Hahn die Aktion besprach. Wir kamen drauf, weil überall neue SoMe-Weiterbildungen entstehen. Aber ich wäre ehrlich bereit gewesen, weiterzumachen, hätte es für mich einen subjektiven Nutzen gegeben. Aber den gab es nicht.
Weiter gebracht hat mich dagegen eher unerwartet ein Gespräch mit einem Geschäftsführer an jenem Abend, als ich das letzte Heft zur Seite legte. Dieser erzählte mir, dass er ganz strategisch zu einem bestimmten (ungewöhnlichen und von niemand anderem besetzten) Thema twittere, facebooke und google-plusse. Dadurch verankere sich seine private Seite in den Köpfen von Mitarbeitern, Kunden, Interessenten, Medien, und das wiederum sei gut für die Marken-Ich-Bildung. Ist mir eigentlich klar, das ist wie der rosa Hut zum schwarzen Anzug – aber ich konnte es erst jetzt auf mich selbst münzen.
An dem Abend wurde mir klar, was ICH machen muss: Meine ganz persönlichen Erkenntnisse aus Büchern und Buchtipps zwitschern (bei Facebook angefangen). Im Grunde mache ich das ja schon länger – aber strategisch war es bisher nicht. Eher authentisch. Aber das ist ja denn auch schon die hohe Kunst des neuen Web 2.0-Marketings – authentisch sein und strategisch obendrein.
Oder auch:
Zeigen und zugleich verdecken.
(Unmöglich an einem Ost-Seestrand, perfekt im Internet)
Zeigen, verdecken, reduzieren: Logisch, denn jeder von uns merkt sich nur vier bis sieben Informationen zu einer Person, einer Website, einem Ding… Und neben den privaten Sachen soll ja auch noch hängen bleiben, dass ich mit meinem Büro Karriere & Entwicklung „zum nächsten Schritt“ berate und Bücher schreibe. Das Private ist eine Art Schmiermittel, so wie der Small Talk am Anfang eines Gesprächs.
Ich weiß, dass das der Weg des neuen Marketings ist, mit allen Risiken, die damit einhergehen, aber auch mit vielen Chancen. Und ich will, dass Sie mit mir lernen, deshalb dieses Experiment, im Laufe dessen, ich mich öffentlich irre und Kurskorrekturen in der eigenen Social-Media-Strategie beschließe.
2,3 oder 4?
So ehrlich (authentisch) wir auch sein wollen: Informationen müssen begrenzt sein – sie überfordern sonst unser Gehirn. Ich werde deshalb nicht mehr darüber twittern, dass ich im Schneckentempo von 8,5 jogge, Poweryoga dem Ashtanga vorziehe und meinem Sohn den Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn anhand des Beispiels eines Eisverkäufers auf Mittelaltermärkten erkläre. Ich zeige Ihnen demnächst weniger Ausschnitte als bisher. So etwas lernt man in den Unterlagen des ils-Kurses Social Media Manager nicht, jedenfalls nicht in den Unterlagen für den Schnupperkurs. Dabei wäre gerade das interessant für Unternehmen und Menschen, die sich in der Öffentlichkeit positionieren.
Aber halt: Der Kurs war dennoch besser als erwartet – geeignet für Einsteiger ins SoMe-Thema und Menschen, die viele Berührungsängste haben sowie ein tiefes Wissensbedürfnis. Ich würde sagen: die mit grüner Neugier im Reiss-Profil werden vermutlich etwas mehr damit anfangen können als die Praktiker (rote Neugier).
Manches in dem ersten Heft erinnerte mich an die allererste Auflage meines 1998 erschienenen Buchs „Stellensuche und Bewerbung im Internet“. Damals habe ich im ersten Kapitel das Internet erklärt – unfassbar heute. Die Autorin Doerte Giebel beschreibt die Anfänge des Web 2.0, detail- und kenntnisreich. Ein bisschen Zweifel habe ich nur, ob die angepeilte Zielgruppe, Begriffe wie API-Schnittstelle versteht. Die Qualität der Adressen ist gut, wogegen ich ein Interview mit Kixka Nebraska etwas fehl am Platz fand. Aber: Sollte ich 2035 als Rentnerin über die Geschichte der sozialen Netzwerke promovieren, würde ich mich vermutlich an die ils-Hefte erinnern.
Natürlich habe ich als erstes gecheckt, wer die Autoren sind. Ist es jemand mit 5 oder 5.000 Twitter-Followern, 3 oder 3.0oo Facebook-Freunden? Weder-noch, das gilt jedenfalls für Dörte Giebel – was schon mal ein gutes Zeichen ist. Auch der Rechtsanwalt, der sich juristisch ein-, äh auslässt hat einen im Internet nachvollziehbaren „Track Record“.
Ich gebe zu, dass ich mich nur sehr kurz mit den sechs Heften beschäftigt habe, insgesamt rund 2 Stunden. Es war mehr ein Informationshaschen – für mich ausreichend, um den Nutzwert für meinen individuellen Zweck abzuwägen.
Fazit: Mit mittlerweile 1.200 Followern bei Twitter, einer Facebook-Fanpage, mehr als 1.000 Xing-„Freunden“, einem neuen Account bei Google Plus (mit den ganzen Kreisen – ganz schön kompliziert….) und diversen halb verlassenen Accounts u.a. bei Linkedin, Foursquare und Branchout bot der erste Teil des Lehrgangs hübsche Geschichten, aber keinen wirklichen Aha-Effekt für mich.
Ich hätte die Übungen an Stelle der Autoren auch mehr auf den jeweiligen Leser bezogen, auf mich wirkte sowas wie „Recherchieren Sie im Internet XY“ zu weit weg von meinen individuellen Fall (man könnte auch sagen: zu sehr wie Frontalunterricht).
Vielleicht liegt es auch daran, dass mich im Moment eher beschäftigt, wie ich die ganzen Sozialen Netzwerke managen soll und das alles möglichst effizient, strategisch, innovativ und zugleich bodenständig – also ohne nur noch auf die Mails der CEOs von Daimler und Porsche zu antworten (stehen hier stellvertretend für “VIPs”) Kann sein, dass das langfristig unmöglich ist, wenn ich mir so mein tägliches Mailaufkommen ansehe.
Unter uns, wir sind ja öffentlich: Ich habe mir schon überlegt, dass ich irgendwann einfach den Stecker ziehen werde. Vielleicht werde ich vorher noch auf One-To-Many-Kommunikation umschalten, also nur noch Infos rausgießen, auf dass die anderen sie verbreiten. Many- to-Many, also das dialogische Marketing, das ich betreibe, ist nämlich ziemlich zeitaufwändig. Überlegen Sie es sich gut, bevor Sie hier einsteigen.
Aber jetzt mache ich erst mal weiter, auf zum sechsten Teil.
Sie haben nicht alle Teile meiner Experiment-Serie gelesen? Hier sind Sie:
Interessant zu wissen wäre, auf welches ZIEL (Awareness, Qualitative Reichweite, SEO/Traffic für eigentliche Business-Seite, Mundpropaganda/Weiterempfehlungen, Kundenbindung/Kundendialog, Neukundenaquise, Positionierung, Netzwerkaufbau, Insightgenerierung etc. etc.) Sie Ihre eigenen Social Media Aktivitäten ausrichten (wollen) und stringent darauf zu optimieren und ggf. somit in der Folge die angesprochenen hohen Aufwände fokussieren und reduzieren. Dieses Thema wird in “Social Media Lehrgängen” klassischerweise nicht hinreichend behandelt
Nee, das kommt da gar nicht vor. Allerdings wär´s auch kein Experiment, wenn das Ziel 100% klar wäre
LG Svenja Hofert
Hallo Frau Hofert, ich ahne, dass die zweite Lehrgangshälfte mehr nach Ihrem Geschmack gewesen wäre – da warten die strategischeren Studieneinheiten auf die Fortgeschrittenen… Vielen Dank auf jeden Fall für Ihre kritische Auseinandersetzung und Ihre öffentliche Besprechung! Für mich ist das wertvolles Feedback. Herzliche Grüße, Dörte Giebel
Die Frage die man sich auch stellen sollte: “Wie viele Netzwerke braucht man eigentlich?”.
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Wie viele Accounts in beruflichen und privaten Netzwerken sind eigentlich sinnvoll und wann sollte man damit aufhören das Leben nur noch digital stattfinden zu lassen? Ich gebe zu, irgendwann habe ich den Überblick verloren und besitze nun jede Menge scheintote Zugänge zu social networks. Wirklich betreiben tue ich aktiv Xing und Facebook. Dabei ziehe ich keine Grenze mehr zwischen beruflich und privat. Aufpassen sollte man sowieso immer, was man veröffentlicht
@doertegiebel, freut mich besonders, dass Sie sich zur Wort gemeldet haben! herzliche Grüße Svenja Hofert
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