Arbeitgeber-Bewertungen: Wer hat denn hier gefakt?

Auch die letzte Illusion ist ausgeträumt – und die Bastion der Hoffnung all derjenigen gefallen, die von gutem Arbeitsklima träumten.  Diese Festung des Glaubens an das Gute im Unternehmen heißt Arbeitgeberbewertung.

„Seitdem ich hier arbeite, weiß ich, dass vom Ranking bei Greatplacetowork nicht viel zu halten ist“, sagt mein Klient. Denn nach der Arbeit hat er schlechte Laune, anders als der Werbespruch des Unternehmens mit den Arbeitgeber-Benchmarkstudien („nach der Arbeit habe ich gute Laune“) verlauten lässt.

Greatplacetowork ist wirklich great beim Blöffen. Tausende enthusiastischer Bewerber nehmen die Listen als Anhaltspunkt, um ein faires Unternehmen für sich zu finden – gerade jene sind darunter, die sich von den großen Markennamen nicht allzu sehr blenden lassen wollen. Das sind die, die sich nicht nur mit der Marke, sondern auch mit dem Stil und der Ethik eines Unternehmens identifizieren möchten.

Die Medien nehmen es dankbar auf, wenn Unternehmen verkünden, Home Office für alle und uns karriereorientierten Frauen die Arbeit mit Kindern zu ermöglichen. Wow, ein positives Beispiel – die Leser der Artikel glauben, was die zitierten Personaler verkünden, denn die Hoffnung stirbt zuletzt. Was bleibt ihnen auch anders übrig? Bezeichnend, dass ausgerechnet jenes Hamburger Unternehmen nicht in den Listen auftaucht, das gerade einer anderen Kundin, einer Mutter mit kleinem Baby, Freiheiten bei der Arbeitsgestaltung lässt und sich als fair entpuppt. Wem die Innenwirkung wichtiger ist, als die nach außen, kümmert sich nämlich zuerst darum.

Worauf kann ich also noch vertrauen, wenn nicht auf Greatplacetowork, fragen Sie mich jetzt?

Auf Ihre Fragen! Zum einen können Sie diese einem regional oder branchentechnisch verankerten Karriereberater stellen (nur ist der natürlich kein Auskunftsbüro, also lassen Sie es, wenn Sie gerade eine Mail an mich tippen wollen – mein „Ehrenamt“ ist dieser Blog…). Zum anderen liegt es an Ihnen, ein gutes Kontaktnetzwerk zu pflegen und Kollegen und Freunde zu den in ihren Unternehmen gemachten Erfahrungen zu interviewen.

Arbeitgeberbewertungen bei Kununu.com & Co.

Für die breite Masse bleiben Bewertungsplattformen wie Kununu und Evaluba und jene die Kollege Jochen Mai hier aufgeführt und getestet hat. Jenes, wiederum Hamburger Unternehmen, welches mir seit Jahren aus allen Richtungen als krass negatives Beispiel für  veraltete und unfaire Personalpolitik  auffällt, hat dort eine Gesamtbewertung von drei Punkten. Die Spannweite, die den Durchschnittswert bildet, variiert von einem Punkt bis zu fünf, aber aus mehreren Dutzend Bewertungen kristallisiert sich dann doch eine  realistische Einschätzung heraus. Von schlechtem Klima ist da oft die Rede, von arroganten Chefs, deren karrieristisches Eigeninteresse zum Himmel stinkt, und von nicht gelebten Werten. Es schleichen sich allerdings auch (gute) 5-Sterne-Kritiken ein. Und damit für mich auch die Frage: Wer bitte hat denn hier gefakt?

In den letzten zwei Monaten, da hatte ein Kollege das Thema “Arbeitgeberbewertungen” in meinen Kopf gepflanzt, sind mir fünf Mitarbeiter völlig unterschiedlicher Firmen begegnet, die sich an solchen Fake-Aktionen beteiligen sollten. Da gab es Cheftetagen-initiierte Rundmails mit einer „dezenten“ Aufforderung und auch direkten Druck „wenn Du weiter hier arbeiten willst, dann…“ Auch die Variante: Wir setzen einfach unsere Praktikanten dran, so ganz viral (am gleichnamigen Marketing orientiert), ist beliebt – vor allem in Marketingabteilungen, bei Agenturen und Unternehmensberatungen. Da fakt der Chef manchmal sogar noch selbst.

Kununu weiß das und sitzt doch wie die Maus in der Falle. Lassen wir den Chef, Martin Poreda, selbst sprechen: „Jeder Eintrag durchläuft zunächst technische Sicherheitsvorkehrungen und wird dann (…) von unserem Community Management-Team manuell kontrolliert. Neben einem simplen IP-Check haben wir ausgefeilte Tools, die Fakes  erschweren: Der Bewerter muss seine Bewertung aktiv freischalten, Trashmail-Adressen werden nicht akzeptiert, Mehrfach-Bewertungen sind nicht zulässig.“ Das ist mehr als bei anderen Bewertern. Nehmen wir Greatplacetowork. Dort beantragen Arbeitgeber die Studie und müssen für den Spaß  auch zahlen, bei 4.500 Euro beginnen die Paketpreise. Mach ich das als Arbeitgeber? Genau: Vor allem, wenn ich es nötig habe und das Kleingeld in meiner Kasse sich auch aus einem Budget für Marketing speist.

Niemand kann Arbeitgeber davon abhalten, ihr Employer  Branding so falsch zu verstehen.

Doch  der Schuss geht  auch rechtlich nach hinten los -  und da wird aus dem viralen Spaß bitterer Ernst. Martin Poreda: “Eine auf kununu bewusst geschönte Bewertung fällt unter den Begriff Astroturfing und bezeichnet die gezielte Täuschung der Öffentlichkeit. Jene Unternehmen, die durch solche Maßnahmen ihr Image aufpolieren möchten bzw. müssen, lassen durch diese strafbare Handlungen entsprechende Rückschlüsse auf ihre Qualitäten als Arbeitgeber zu.” Doch natürlich ist es nicht strafbar, Mitarbeiter aktiv darum zu bitten, eine Bewertung abzugeben – und subtilen Druck auf jene auszuüben, die dabei nicht dabei sein wollen oder gerne ehrlich wären.

Das ist fast ein wenig so wie bei der (rein analogen) Chefbewertung, die auch im traditionellsten Unternehmen inzwischen Einzug gehalten hat. Wenn fünf Mitarbeiter ihren Abteilungsleiter anonym bewerten, machen nur Kamikaze-Angestellte ein ehrliches Kreuzchen. Es glaubt sowieso keiner daran, dass eine ehrliche Bewertung was bringt. Unternehmen, die mehr an ihrer Außen- als an ihrer Innenwirkung interessiert sind, sind die Wirklichkeit – die sich leider oft erst dann offenbart, wenn der Arbeitsvertrag unterschrieben ist.


11 Kommentare zu “Arbeitgeber-Bewertungen: Wer hat denn hier gefakt?

  1. Ein mir bekanntes kleines Unternehmen (30+ Mitarbeiter) hatte letztens mit schlechten Bewertungen auf kununu zu kämpfen, die alle gleichförmig aussehen und deren Art & Zeitpunkt intern durchaus in die Richtung eines zuvor entlassenen Mitarbeiters zeigten. Interessant: Kurz nach den schlechten Bewertungen meldete sich ein kununu-Mitarbeiter telefonisch und aktiv beim Firmenchef und bot eine Art “Premium-Paket” an. Für die Zahlung eines kleinen 5-stelligen Betrages würde kununu neben diversen Marketingmaßnahmen auch schauen können, ob sich nicht die Reihenfolge der Bewertungen variieren liesse – die schlechten würden somit aus dem Blickfeld rutschen.

    Ohne Zahlung sei natürlich keinerlei Bearbeitung der validen Bewertungen möglich, das müsse man verstehen.

    Ein Schelm, der böses denkt. Der Chef der Firma hat seine Mitarbeiter ganz offiziell dazu ermutigt, Bewertungen bei kununu einzustellen, wenn sie das möchten. Diese wurden jedoch nicht akzeptiert und nicht veröffentlicht. Ohne Zahlung ist somit keine weitere Meinung erwünscht.

    Das Geschäftsmodell “riecht” für mich ein wenig anstößig.

    • Es gibt natürlich auch die andere Richtung: Frustrierte Mitarbeiter, die sich durch negative Bewertungen rächen wollen. … Wenn das stimmt, was Sie schreiben, wird das Kununu sicher lesen ;-) LG Svenja Hofert

  2. Noch ein Nachtrag: Zwar hat kununu großen Wert auf die Prüfungen der eingehenden Bewertungen gelegt und auf die IP-Checks und andere Details hingewiesen, aber wieso dort weit mehr (schlechte) Bewertungen von angeblichen ex-Mitarbeitern zu finden sind als jemals Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben, das konnte der Mitarbeiter auch nicht erklären.

    Ein Anspruch auf Korrektur würde die Firma jedenfalls nicht haben, so der kununu-Mitarbeiter. Es ist für mich nachvollziehbar, dass der Chef der schlecht bewerteten Firma ungehalten auf dieses Vorgehen reagiert hat.

  3. @Christian,
    wir haben absolut Nichts gegen konstruktive Kritik und leben seit 4 Jahren damit Gemüter zu erhitzen. Wogegen wir jedoch schon was haben, sind unwahre Tatsachenbehauptungen über unseriöse Methoden bei kununu. Wir gelten als die seriöseste und offenste aller Bewertungs-plattformen, die sämtliche Methoden des Betreibens der Plattform, Bewertungsrichtlinien, Punktevergabe/-gewichtung, Geschäftsmodell, Möglichkeiten für Reputationsmanagement und Marketing auf kununu, Preispolitik etc. offen legt.

    Es ist schlicht und einfach falsch, dass man durch ein kununu Engagement Einfluss auf seine Bewertungen nehmen kann. Unsere Kunden wissen das und jene, die versuch(t)en sich auf diese Weise bei kununu “einzukaufen”, verlängern ihre Engagements nicht oder wurden/werden von uns rausgekickt.

    @Zu Deinem Nachtrag:
    Wenn uns das Unternehmen beweisen kann, dass Bewertungen auf kununu nachweislich nicht richtig sind, werden wir unverzüglich tätig und es hat sehr wohl Anspruch auf Korrektur. ABER – es muss uns eben irgendwas liefern – sonst könnte ja jedes Unternehmen daher kommen …. und dann wäre die Idee von kununu tatsächlich zum Scheitern verurteilt.

    kununu hat als eine der wenigen Plattformen für Unternehmen nicht bloß eine “Herausforderung” geschaffen, sondern zugleich Möglichkeiten für aktives Reputationsmanagement geschaffen. Die Stellungnahme-Funktion ist eine dieser Möglichkeiten und kostet keinen Cent!

    @Bewertungsaufruf “unter Druck”
    Ein solches Benehmen von Firmenseite her, ist schon Armutszeugnis für sich und eine extrem kurzsichtige Massnahme, die durch enttäuschte Jobeinsteiger in diesem Unternehmen (diese korrigieren das geschönte Bild durch eine Bewertung) und ausgetretene Mitarbeiter (die jederzeit ihre abgegebenen Bewertungen abändern/richtig stellen können) abgestraft wird. In einem solchen Fall freut uns der psychologische Aspekt, dass negative Bewertungen viel intensiver wahrgenommen werden und geschönte Fake-Bewertungen “überstrahlen”.

  4. @christian

    Die von dir genannten Details:
    1. schlechte Bewertungen vorhanden
    2. ein Beratungsgespräch aufgrund hoher Bewertungsaktivität ist wahr
    3. ein Marketingangebot an das Unternehmen ist wahr

    UNWAHR ist, dass wir dem Unternehmen angeboten haben, Einfluss auf die Bewertungen zu nehmen. -> Damit sollten die Postings nun auf für Dritte eindeutig klar formuliert sein.

    Eine einzelne Bewertung durch einen enttäuschten Mitarbeiter auf kununu ist durchaus legitim. Für mehrere Bewertungen durch einen einzelnen User muss sich dieser schon anstrengen – seit 4 Jahren professionalisieren wir unsere Systeme und lernen mit jedem Tag dazu.

    Agenturen zur Bewertungspflege beim Thema “Hotelbewertung” haben es leichter. Über unsaubere Betten, schlechtes Essen schreibt sichs schnell. Über Arbeitsverhältnisse muss man auch hier schon schriftstellerische Skills aufweisen – und wie geschrieben – wir stehen Unternehmen jederzeit beratend zur Seite.

    “Ich finde die Räumlichkeiten doof” = persönliche Einschätzung
    “Die Chefs sprechen nie mit einem” = kann ja so gewesen sein
    “Die Chefs stinken” = garantiert nicht auf kununu online -> bitte um Link, wenn das Gegenteil der Fall ist, weil absolut gegen unsere Bewertungsregeln

  5. Einfach wunderbar, dass man im Internet so schnell und direkt Dinge klarstellen kann – Danke für den angeregten Dialog :-) herzliche Grüße Svenja Hofert

  6. Pingback: Woran erkennen Sie einen guten Arbeitgeber? | Karriereblog von Svenja Hofert - Die Expertin für neue Karrieren

  7. Bewertungsportale können hilfreich sein, Produktbewertungen etc.. Wer schützt Arbeitgeber vor Mitarbeitern? Viele, sehr viele Personalleiter und Chefs würden viel Geld dafür ausgeben, mit einem entsprechenden Portal seriöse Angaben über vielleicht zukünftige Mitarbeiter zu bekommen. Bewertungsportale sind nicht das Problem! Die Anonymität im Internet ist das Problem!
    Zu all der “neuen” Macht welche sich frustierte Mitarbeiter jetzt bedienen können, fällt mir nur ein:
    “Das Internet und die dort kultisch bewahrte Anonymität verleihen jedermann quasi die Generalvollmacht, ungestraft alles Mögliche über jede beliebige andere Person zu äußern. Ich kann mir kaum einen moralisch verwerflicheren Missbrauch des Gedankens der Redefreiheit vorstellen.”
    Richard Bernstein in der New York Times

  8. Pingback: Wie Sie einen wirklich guten Arbeitgeber finden | Karriereblog von Svenja Hofert

  9. Pingback: Wie twittert mann und frau richtig? | Online-Magazin für Karriere & Zukunft von Svenja Hofert

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